Die Spannung steigt

Ich seh‘ unsern Alten Kahn ruderlos schlingernd in tosender Flut. Und doch sing ich unbeirrt „Abends an deinem Bett“ - „Alles ist gut“.


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Die Spannung steigt, der Countdown zeigt

noch 30 Tage bis zum Ende,

das Anfang ist und Neubeginn, ein Wunder und der Hauptgewinn

Schöpfungstag und Zeitenwende.

Gegen die Gleichgültigkeit, die Ohnmacht und die Dunkelheit,

gegen Dummheit, Hass und Häme

haben wir auf dich gesetzt, dass mit dir heut‘ hier und jetzt

der Himmel auf die Erde käme.

 

Die Spannung steigt, der Zeiger neigt

sich hin zur Zwölf, noch 20 Tage.

Bis das Rad sich erneut dreht, alles verändert, schon durchweht

ein andrer Wind die neue Lage.

Macht die Fenster auf und singt, dass unser Lied ins Weite klingt

weil Frühling wird nach langem Winter.

Macht die Türen auf und lacht, denn was die Welt lebenswert macht,

was sie erhält, sind unsre Kinder.


Die Spannung steigt, der Stamm verzweigt

sich neu. 10 Tage, wie ich meine.

Dann kommt es, wie es kommen muss. Das Leben kommt zum guten Schluss

am Anfang vom Kopf auf die Beine. 

Wenn’s erst nur auf dem Rücken liegt, es strampelt, dreht sich und es fliegt

in meine Arme und ich lerne

selbst wieder fliegen mit dir: leben heute, jetzt und hier

unter dem Himmel voller Sterne.

 

Ich seh‘ unsern Alten Kahn ruderlos schlingernd in tosender Flut.

Und doch sing ich unbeirrt „Abends an deinem Bett“ „Alles ist gut“.

 

Die Spannung steigt und längst vergeigt

die Klimaziele, ein paar Tage bleiben.

Die Tür ist zu, die Zeit vergeht. Es geht nichts mehr, es ist zu spät, 

die Geschichte umzuschreiben.

Und demütig erwarte ich einmal dein Urteil über mich,

klar bin ich schuldig, keine Frage.

Und hoffe, dass du mir vergibst, einfach nur, weil du mich liebst.

Die Spannung steigt; noch ein paar Tage.


Veröffentlicht in Musik am 15.01.2023 15:22 Uhr.

Viertel vor sieben

"Und es soll Sonnabend sein und es soll Topfkuchen geben und er soll schon auf dem Küchentisch steh'n. Eine Kanne Kakao und meine Tasse daneben und ich darf die braune Backform umdreh'n. Schokoladenflocken, mit der Raspel gerieben, in der Schaumkrone meines Kakaos. Manchmal wünscht' ich, es wär noch mal viertel vor sieben und ich wünschte ich käme nach Haus." Reinhard Mey, Viertel vor sieben


Diesmal war ich nicht nur eine Weile weg. Ich war lange weg. Und ich war ganz weg. „Was kommt nach Lauter?“ fragt mein kleiner Sohn sehr gerne. „Nun“, pflegen wir dann zu antworten, „nach Lauter kommt Schwarzenberg“, denn Lauter heißt der Ort im Erzgebirge, den wir passieren müssen, wollen wir von Aue kommend nach Hause fahren. „Nein“, sagt er dann, „nach lauter kommt leiser!“ Das ist natürlich nicht verkehrt. Aber dann will er wissen, was nach leiser kommt. Es hat eine Weile gedauert und es ist vielleicht auch nicht sehr originell, aber inzwischen hat sich folgender Ablauf entwickelt: nach leiser kommt schneller und nach schneller kommt fest. Nach fest kommt lose und nach lose kommt ab. Nach ab kommt weg und nach weg kommt schließlich - ganz weg. 

Das war ich nun also, ganz weg. Aber doch nicht so ganz, denn dieses Wochenende war ich wieder da: In Sankt Marien in Bernau. Nach drei Jahren Corona-Pause durfte wieder musiziert und gesungen werden und das wollten die Lobetaler, die drei Jahre lang auf alle Feste verzichten mussten, mit einem schönen Konzert feiern. Und ich war dazu eingeladen worden. Es war ein kurzer Heimaturlaub während einer langen Wanderschaft. Zu kurz um mehr zu sein, als nur ein Winken. Winken aus dem langsam fahrenden Zug. Aber wir haben einander gesehen und gehört und dies allein schon tat so gut. Mein Nachtquartier bezog ich bei Axel, dem alten Freund, bei dem ich länger als ein Jahr wohnte, gerade als meine Geschichte mit Lobetal vor mehr als zwanzig Jahren begann. Ich schlief in meinem alten Zimmer, im Bad hing immer noch dasselbe Bild an der Wand und auf dem Küchentisch stand eine Kanne Kakao und daneben: meine Tasse. Es war Sonnabend, und es war viertel vor sieben.

Natürlich stimmt das so nicht. Es war dreiviertel acht und es war nicht der Küchentisch, sondern der Kühlschrank. Darin stand auch keine Kanne Kakao sondern zwei Flaschen Hefeweizen. Aber ich dachte: Was können wir unserem Söhnchen in diesen Zeiten besseres schenken, als dieses Gefühl der Geborgenheit eines Zuhauses. Ein Ort, an dem ein bisschen die Zeit stehen bleibt und den er, auch wenn es diesen Ort schon lange nicht mehr gibt, tief in seinem Herzen trägt. Dorthin soll er dann immer zurückkehren und seine Zuflucht finden können, wenn die dunklen Regenwolken aufziehen und die Dämmerung mit ihren Schatten ihn ängstigen will. Davon durfte ich ein Lied singen, in Sankt Marien in Bernau. Und es war Sonnabend. 

Veröffentlicht in Lobetal, Musik am 20.06.2022 4:00 Uhr.

Versuch macht klug

Postersteiner Akademie-Musiken am Sonntag, 24.04., 16:00, Akademie für angewandte Musiktherapie, Dorfstraße 28, 04626 Posterstein


Wenn man sich für einen Programm-Titel entscheiden muss, bevor das Programm fertig ist, ist es unwahrscheinlich, dass am Ende das Eine etwas mit dem Anderen zu tun hat. Das fertige Programm müsste daher nun eher „Schlechter Poet“ heißen, nicht weil die Lieder und Texte schlecht wären, sondern weil sie schön sind und folglich nicht vom Glück in die Feder diktiert wurden. Denn „nur das Leid kann so schöne Lieder machen und das Glück ist ein schlechter Poet.“

 

Ulf Renner hieß früher Ulf Gladis, war ledig, kinderlos, lebte allein in einem Dorf im Brandenburgischen und sang hauptberuflich Volkslieder. Als er mit dem Schreiben kurzer Texte begann, fing das mit den Veränderungen an. Heute ist er verheiratet, heißt Ulf Renner, lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Schwarzenberg im Erzgebirge und singt ganztags Kinderlieder. 


https://christoph-schwabe.de/postersteiner-akademie-musiken/

Veröffentlicht in Elternzeit, Musik am 21.04.2022 7:35 Uhr.

Ars vivendi

Kunst als Beruf auszuüben ist riskant, wenn man davon existenziell abhängig ist. Eine Existenz als Lebenskünstler ist kein Beruf, aber eine Alternative. 


Gerade habe ich ein Konzert abgesagt. Ich möchte einfach nicht nach dreißig oder vierzig Minuten merken, dass mir das Hygienekonzept nicht gefällt und dann sang-und klanglos abgehen. Ich kann warten. Ich weiß schon, ein Berufskünstler kann das nicht. Er braucht den Kontakt zu seinem Publikum und er braucht vor allem das Geld. Darum habe ich schon immer gesagt: Macht euch nicht von einem Beruf abhängig! Das bringt nichts. Es muss auch andere Möglichkeiten geben, sich durchs Leben zu mogeln. (Kommt „Möglichkeit" eigentlich von „mogeln“?) Und wenn es schon eine Existenz als Künstler sein soll, dann doch bitte schön eine als Lebenskünstler. Ars vivendi. Für diese Kunst braucht man keine Bühne und kein Publikum. Es gibt zwar keine Gage und keinen Applaus, aber dafür auch kein Lampenfieber. 

Kinder sind ja wohl die größten Lebenskünstler überhaupt. Sie sähen nicht, sie ernten nicht, und ihr Vater füttert sie doch! Ich weiß gar nicht mehr, wann ich angefangen habe, mir um meinen Lebensunterhalt Gedanken zu machen. Als Kind denkt man darüber jedenfalls nicht nach. Es gibt noch ganz andere Sachen, über die man nicht nachdenkt. Zum Beispiel, ob Fliegen Zähne haben. Ich wußte es lange nicht, bis ich mal von einer Fliege gebissen wurde. Damals hatte ich keine Ahnung und dachte, ich könnte das unscheinbare Tier mit der bloßen Hand fangen und aus dem Fenster werfen. Da durchfuhr mich plötzlich ein höllischer Schmerz. Auch das Aus-dem-Fenster-Werfen schlug fehl, denn die Fliege hatte sich in meiner Hand festgebissen. Abgesehen von dieser Gefahr ist Fliegenfangen aber eine einfache Sache. Mit ihrem Facettenauge kann sie zwar schnelle Bewegungen rechtzeitig erkennen. Dafür hat sie aber keine Chance, wenn man sich ganz langsam nähert. Und dann: Zack! Wer keiner Fliege etwas zu Leide tun kann, stülpt ihr natürlich ein Glas über.

Was natürlich nicht ratsam ist, solange im Glas noch was drin ist. Erstens ertrinkt die Fliege wahrscheinlich und zweitens hat man selbst nichts mehr zu trinken. Spätestens an dieser Stelle muss ich zugeben, dass mir diesmal gar nichts einfällt. Wäre dies hier ein Konzert, würde ich es jetzt einfach abbrechen. Aber ich habe das Konzert ja schon abgesagt. Also muss ich mich eben bis zum Ende irgendwie durchmogeln. Es gibt ja so viele Möglichkeiten. Wer legt überhaupt fest, wann so ein Text zu Ende ist? Ich erinnere mich an eine Kolumne von Axel Hacke, in der er behauptet, das  Ende sei durch die Anzahl der

Veröffentlicht in Musik am 31.07.2021 4:00 Uhr.

Ohne Worte

Worte sollte man schreiben oder singen. Alles andere grenzt an Missbrauch.


Manchmal wünschte ich mir, eine Quelle zu sein

Und der Durstige kommt und kehrt bei mir ein

Schöpft aus dem Vollen das sprudelnde Nass

Füllt sich den Becher, füllt sich sein Fass

Statt wie ein schäbiger Lautsprecher zu dudeln

Aus dem statt des Wassers nur Worte sprudeln

Man sagt ja, dass Worte ein Segen sind

Das ist nur die halbe Wahrheit, mein Kind

 

Ja, Worte sind Segen und Worte sind Fluch

Sie unbedacht auszusprechen, ist fast ein Verbrechen 

Sie gehören in ein Buch, sie gehören in ein Buch.

 

Du liegst auf dem Rücken, du liegst auf dem Bauch

Und lachen und weinen kannst du auch

Die Handykamera nimmt alles auf und

Wartet auf das erste Wort aus deinem Mund

Du machst dir keine Vorstellung, wie Worte zerstör’n

Du könntest dich darauf beschränken, sie zu lesen, zu hör’n

Wenn schon Worte zwischen uns klingen 

Dann, weil wir zusammen singen

 

Worte sind wie ein vermintes Gebiet

Betreten verboten, Tummelplatz für Idioten

Sie gehören in ein Lied, sie gehören in ein Lied

 

Worte sind wie Wein

Sie müssen erst reifen, um genießbar zu sein

Fall’n sie zu schnell, im Augenblick

Holt sie keiner mehr zurück

 

Stell‘ dir vor, wir würden verstummen

Nicht mehr sprechen, nur noch singen und summen

Lachen und weinen, so wie du mein Kind

Ob wir dann wohl auch so zufrieden sind

Wer immer auch zu dir spricht,

Denk' dein Teil und glaube nicht

Und: an allen Worten ist nur etwas dran,

wenn man sie auch singen kann

 

Reden ist Schweigen und Silber ist Gold

Der Sinn aller Worte ist Erdbeertorte

Aber der Wagen der rollt, und der Wagen rollt

https://distrokid.com/hyperfollow/liedersaenger/ohne-worte


Veröffentlicht in Musik am 23.03.2021 5:00 Uhr.

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