Über das Weiße in den Worten

Alles hat seine Zeit, auch das Weißbier. Die ist nun zwar vorbei, geht einem aber nicht aus dem Sinn. 


Wer wie ich in seiner Jugend das Vergnügen hatte, ein bisschen alte Kirchengeschichte zu hören, wird die Geschichte mit dem Jota nicht vergessen haben, das die strittigen Begriffe homoousios (wesensgleich) und homoiousios (wesensähnlich) voneinander unterscheidet. Es ging dabei um das Verhältnis von Vater und Sohn, die einen sagten so und die anderen so und am Ende hatte man das schönste Kuddelmuddel, das uns heutigen unter anderem die Dreifaltigkeit beschert hat. Keinesfalls wollen wir hier alten Streit wieder aufwärmen. Die Geschichte soll nur als Beispiel dafür dienen, wie entscheidend winzigste Wortbestandteile für dessen Bedeutung und weiter für den Frieden in einem Gemeinwesen sein können. Der hier zitierte Streit hat die gerade im Entstehen begriffene Reichskirche ins Wanken gebracht und immerhin auch dem Reich selbst so zugesetzt, dass sich der Kaiser höchstpersönlich damit befassen musste. 

Mir fiel das ein, nachdem ich das Glück hatte, bei unserm Bäcker kurz vor unserer Quarantäne ein Kastenweißbrot zu ergattern. Daheim war die Freude darüber groß, denn man muss bei unserem Hausbäcker schon dazukommen, um diese kleine Köstlichkeit sozusagen weiß auf schwarz nach Hause tragen zu können. Die nächsten Frühstücke waren gerettet und meine Frau geriet während der Mahlzeit darüber vor Freude ganz aus dem Häuschen. Sie schwärmte vom „Weißkasten“, den wir unbedingt wieder einkaufen sollten, wenn es uns denn mal wieder erlaubt sei. Ich ließ mich von ihrer Begeisterung mitreißen, wobei ich in meiner Verzückung gleich irgend etwas von einem „Kasten Weißbier“ lallte. 

So kann es gehen. Man muss beim Sprechen eben schon seine sieben Sinne ein bisschen zusammennehmen. Schließlich kann ein handfester Streit, der sich eben schnell mal am sprichwörtlichen Jota entzünden kann, in der Quarantäne schlimme Folgen haben. Unsere Dreifaltigkeit könnte ins Wanken geraten und das Verhältnis von Vater und Sohn möglicherweise Schaden leiden. Nicht auszudenken, wenn wir statt der Backware nun nichts als Weißbier zum Frühstück gehabt hätten. Wenigstens Weißwurst müsste schon noch dazu gereicht werden. In dieser wesentlichen Frage sind Vater und Sohn nicht nur wesensähnlich, sondern wesensgleich. 

Veröffentlicht in Elternzeit, Quarantäne am 30.03.2022 9:36 Uhr.

Meine Liebe

Liebe bedeutet, darauf vertrauen zu können, dass man gehalten wird, so ungeschickt und unzulänglich wie man nun mal ist. 


Meine alte war ja eigentlich noch ganz gut. Aber auf Instagram wurden mir ständig neue angezeigt, eine schöner als die andere. Es ist nichts Rationales. Allein die aufgemotzten Bilder lassen einen ständig denken: wenn ich sie nur endlich hätte! Dann hätte die liebe Seele Ruh. Also nimmt man Kontakt auf und wartet. Man denkt ständig an sie und wartet weiter. Und dann ist sie da. Und man denkt: Wow!! Die alte wird links liegen gelassen und mit der neuen am Arm lässt man sich irgendwie dümmlich grinsend in der Stadt sehen. Aber es dauert gar nicht lange, da merkt man, die alte war nicht nur gar nicht so schlecht, sie war einfach um ein Vielfaches besser. Es wird schnell klar: Die neue kann dies nicht und sie kann das nicht. Sie sieht zwar immer noch ganz gut aus aber auch die alte sieht auf einmal wieder viel besser aus und man weiß gar nicht mehr, warum man unbedingt eine neue Uhr haben wollte. 

Glücklicherweise sind Uhren nun gegen solcherlei Allüren völlig unempfindlich und schmiegen sich auch dem treulosesten Hallodri wieder ums Handgelenk, als sei nichts gewesen. Meiner wunderbaren Frau gestand ich, dass meine alte Liebe wieder neu erwacht sei. Sie errötete kurz, verstand aber schnell, dass ich nur von einer schnöden Uhr sprach und verbarg nur schlecht ihre Enttäuschung. 

Das war nun zweifellos sehr ungeschickt von mir. In Gegenwart meiner Allerschönsten, die mich wirklich liebt, über meine Beziehung zu Uhren zu sprechen und dabei das Wort „Liebe“ zu verwenden, ließ mich in keinem guten Lichte dastehen, weder was meine Beziehungsfähigkeit, noch was meinen Gemütszustand insgesamt betraf. Dabei ist es so, dass meine Liebe zu ihr immer und immer weiter wächst und dabei jeden Morgen neu erwacht, einer Blüte gleich, die sich unter der aufgehenden Sonne jeden Tag weiter öffnet, ihre Strahlen trinkt und dabei selbst immer schöner wird. So etwas braucht man aber nicht zu sagen, nachdem man sich kurz zuvor nicht entblödet hat, ein goldenes Kalb in Gestalt einer Uhr anzubeten. Ich brauche überhaupt nichts zu sagen. Nur meinen Kopf brauche ich in ihren Schoß zu legen. Und dann lasse ich einfach los. 

Veröffentlicht in Elternzeit, Quarantäne am 29.03.2022 9:18 Uhr.

Der letzte Tag

Ob Fastenzeit oder Quarantäne - man muss schon irgendwie versuchen, sich das Dasein erträglich zu gestalten. 


Die Frage, wozu das gut sein soll, war schnell geklärt: Durch die Quarantäne entgehen wir dem Jetlag durch die Zeitumstellung. Das muss ja nun wirklich nicht auch noch sein. Schließlich hätte das Kind nicht früher geschlafen, hätte aber eine Stunde früher aufstehen müssen. So können wir alle gemeinsam ganz gemächlich in die neue Zeit hinübergleiten. Es ist wie ein Urlaub in Übersee. Und was für ein Urlaub! Wir dürfen ja nicht hinaus: Keine Einkäufe, keine Besuche, gar nichts dürfen wir draußen machen. Zu unserem großen Glück verfügt das Anwesen, auf dem wir uns eingemietet haben über Vermieter, die Einkäufe mitzubringen würden, über genügend Spielgerät und Auslauf für das Kind und über einen lauschigen privaten Biergarten. 

Da meine liebe Frau bei diesen Temperaturen nicht so schnell trinken kann, dass das Bier nicht warm wird, übernimmt sie die Kinderbetreuung. Das macht ihr auch viel Freude. Ich trinke inzwischen das Hefeweizen. Man sollte es vielleicht nicht für möglich halten, aber die hier ansässige Brauerei Fiedler braut doch ein annehmbares  Weißbier. Es ist nur offenbar schaumgebremst. Man darf es also nicht ins schräg gehaltene Glas einlaufen lassen, sondern gießt es ohne Scheu von oben herunter. Dann schnell geschluckt, ehe die Blume versackt. Diese Übung ein- bis dreimal wiederholen und dann ist es auch schon wieder Zeit fürs Abendbrot. In diesem Zusammenhang fällt mir ein, dass die Klöster sich angesichts der bis zu 130 Fasttage im Jahr Fischteiche angelegt haben. Fasten bedeutete: Fisch speisen. Das Bier war als Grundnahrungsmittel sowieso immer dabei. 

Leider vermelden zurzeit alle Wetter-Apps für heute den letzten Tag mit diesen optimalen meteorologischen Bedingungen. Ab morgen wird’s im Garten ungemütlich. Dann wäre eigentlich  die Zeit gekommen, endlich mal unsere Netflix-Liste abzuarbeiten, aber das Kind soll noch nicht netflixen. Er weiß noch nichts vom „Fernsehen“ (wenn es das überhaupt noch gibt) und das soll noch eine Weile so bleiben. Wenn er doch mal zufällig bei der Oma vorm eingeschalteten Fernseher steht, sticht er mit dem Finger in den Bildschirm und versucht, das Bild hin und her zu schieben. Den Vormittag, wenn es im Garten noch zu kalt ist, verbringt er aktuell mit staubsaugen. Das kann er ab morgen dann einen ganzen Tag lang machen. Und dann schauen wir mal. 

Veröffentlicht in Elternzeit, Quarantäne am 28.03.2022 8:35 Uhr.

Wozu das gut war

Trotz Biergarten-Hoch muss das E-Bike noch ein bisschen im Fahrradladen bleiben. 


Beim Kauf von E-Produkten bin ich Profi. Wie bei vielen Dingen im Leben, kommt es auch hier auf den richtigen Zeitpunkt an. Über den entscheide ich intuitiv. Ich weiß einfach, dass es jetzt gemacht werden muss, wenn man es denn überhaupt machen will. Wie zum Beispiel bei unserem E-Piano. Ich wachte früh auf und wusste: Heute kaufen wir das Klavier. Gedacht - gemacht. Ich weckte meine noch friedlich schlummernde Frau, ohne die ich nie mehr irgendetwas kaufen würde und wir fuhren ins Musikhaus. Das Beratungsgespräch war nur eine lästige Formalität und wir hielten es kurz. Die Hauptschwierigkeit bestand darin, das Trum ins Auto zu kriegen. Aber es passte, weil wir unser kleines Auto gegen das große meiner Schwiegereltern getauscht hatten. Weil wir nämlich in der Woche zuvor über den Haufen gefahren worden sind und die Schwiegereltern sich um die Reparatur kümmern wollten.  

Es ist nicht immer gleich klar, warum solche Dinge passieren, wie zum Beispiel über den Haufen gefahren werden. Manchmal erfährt man auch nie, wozu das gut war. Vielleicht hat ein Ereignis mit der eigenen Geschichte auch gar nichts zu tun und entfaltet seine Wirkung in einer ganz anderen. So ist das auch mit dem positiven PCR-Test-Ergebnis unseres Kindes. Keiner weiß, wozu es gut ist, dass er auch noch in der nächsten Woche nicht gleich in den Kindergarten kann. Aber wir sind froh und dankbar, dass er offenbar außer einem äußerst lästigen Husten keine ernsten Beschwerden hat. Und wir hoffen, dass es schnell besser wird und nicht schlimmer. 

Mit einem Quarantäne-Kind kann man aber leider auch nicht mit dem Fahrrad in die Biergärten fahren. Darum können wir den Kauf des E-Bikes auch noch ein bisschen nach hinten schieben, denn in den Kindergarten können wir schließlich auch noch nicht fahren. Mit Ablauf der Quarantäne ist dann allerdings auch das Biergarten-Hoch erst mal wieder Geschichte. Aber egal. Ausgesucht ist das neue Fahrzeug nämlich schon und steht abholbereit im Fahrradladen. Das Beratungsgespräch war nur eine Formalität und wir hielten es kurz. Und wenn wir mit dem Kind wieder ins Offene dürfen, schlagen wir zu. Falls nichts Unvorhergesehenes dazwischen kommt. Falls doch, sagen wir wie immer: Wer weiß, wozu das wieder gut war. 

Veröffentlicht in Elternzeit, Kindergarten, Quarantäne am 25.03.2022 14:30 Uhr.

Kitaschwänzer

Wer genießen will, wie der Schmerz nachlässt, muss leiden: Ohne Trennung kein Wiedersehen.


Als Kindergartenkind hatte ich einen kleinen Trick auf Lager. Wenn ich wirklich mal partout nicht gehen wollte, sagte ich meiner Mutter morgens, es ginge mir gar nicht gut. Dann ging meine Mutter ins Bad und holte aus dem Medizinschrank das Fieberthermometer. Sie kam damit zu mir ans Krankenbett und klemmte mir das Quecksilber unter den Arm. Dann ließ sie mich damit allein. Ich wusste: Nur bei Fieber durfte ich zu Hause bleiben. Kaum war meine Mutter aus dem Zimmer, hielt ich das Messgerät an die Heizung. Dafür braucht man Fingerspitzengefühl. Stieg das Quecksilber nämlich zu hoch, wäre man aufgeflogen. Blieb es zu niedrig, hätte es nicht zum zu Hause bleiben gereicht. Ich kann mich recht lebhaft daran erinnern, dass es wenigstens einmal geklappt hat. Ob ich daraufhin allein zu Hause blieb oder ob meine Mutter auch zu Hause bleiben musste, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls konnte sie ja nicht einfach auf der Arbeit anrufen und sich krankmelden. Vielleicht ging sie auch noch gar nicht wieder arbeiten. 

Wie auch immer, mein Kind hat diese Gabe offensichtlich nicht nur geerbt, sondern gleich perfektioniert. Er muss keine Geräte manipulieren und keine Erkrankung vortäuschen. Er kann sie manifestieren. Er bekam am Sonntag Abend tatsächlich Fieber. Dann gelang es ihm am Montag, einen Corona-Schnelltest zu manipulieren, so dass wir auch noch einen PCR-Test machen lassen mussten. Mit dem Abwarten des Testergebnisses kann er jetzt eine ganze Woche dem Kindergarten fernbleiben. Sein Bedauern darüber bringt er im gleichen Tonfall zum Ausdruck, wie er „Arme Gertrud!“ sagt, nachdem er seine Handpuppe mit dem Bobbycar überfahren hat. 

Ich selber bin jetzt ein bisschen zwiegespalten. Die ersten beiden Tage hat es mir gefallen, nicht in den Kindergarten zu müssen. Das morgendliche Auseinanderreißen macht mir schon auch Schwierigkeiten und um etwas zu erledigen, sind eineinhalb Stunden zu kurz. Aber heute, am dritten Tag, sehe ich schon wieder sehr deutlich: meine Betreuungsversuche im fraglichen Zeitraum machen das Kind nicht glücklicher. Und sowohl Kontakt mit Gleichaltrigen als auch Wiedersehensfreude beim Abholen entfallen ersatzlos. Wir müssen also wieder hin und wie es aussieht, sind wir im ersten Monat nicht sehr weit gekommen. Aber meine Frau will mir ein E-Bike schenken und damit käme ich schon ein bisschen weiter, als nur bis zum Kaufland. Auch der Kinderteller zum Mittag in der Köhlerhütte kommt so wieder in Sichtweite. Ich muss nur irgendwie die inzwischen sehr schwierig gewordene Prozedur des Fahrradkaufs bewältigen. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte. 

Veröffentlicht in Elternzeit, Kindergarten, Quarantäne am 23.03.2022 13:00 Uhr.

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