Baum_Sonne

Nachrichten vom liedersaenger

Eine lange Reise

Gerade nach dem Urlaub fragt man sich oft besonders verzweifelt, ob man denn am richtigen Bahnhof ausgestiegen ist. Aber gerade diese Verzweiflung zeigt uns, dass wir noch lange nicht angekommen sind. 

Der Viele-Welten-Interpretation der Quantenphysik zufolge exixstieren unendlich viele Parallelwelten mit ebenso unendlich vielen Kopien ihrer Bewohner, die wiederum jeweils unendlich viele, weil alle möglichen Geschichten durchleben. Dass ich nun ausgerechnet mit meinem bewussten Erleben in diesem einzigartigen Universum gleandet bin, in dem ich Frau und Kind habe, wohlhabend und glücklich bin und auch noch einigermaßen gesund, muss angesichts der schieren Anzahl möglicher anderer Geschichten als ein ganz und gar unwahrscheinlicher und darum um so glücklicherer Zufall angesehen werden. Kann man von einer Parallelwelt in eine andere gelangen? Oder aus einer heraus und in eine andere hineinfallen? Ist vielleicht der Tod so ein Übergang? Bin ich schon einmal oder auch viele Male gestorben und so in diese bessere Welt gelangt?

Am letzten Tag einer wunderschönen Urlaubszeit kommen einem solche Gedanken, vielleicht, weil der Urlaub auch so ein Paralleluniversum ist. Allerdings eines mit Rückfahrkarte. Unser Sohn hat die Ostsee kennen und lieben gelernt. Er war der „Wellenschaffner“, der die Ostseewellen auf den Strand fahren ließ und er war mit seinem Laufrad auf den Wanderwegen am Achterwasser unterwegs. Er gebot den Schranken der Usedomer Bäderbahn, sie mögen auf- oder zugehen und er fuhr selbst mit, um beim Lokführer nach dem Rechten zu sehen. Aber wehe, ich störe seine Aktivitäten mit nervtötenden Mutwilligkeiten wie Anziehen, aus dem Wasser kommen und Aufwärmen oder gar zurück in die Ferienwohnung fahren! Ich glaube, unser Kind wird einmal so, wie Greta Thunberg: sehr zornig und ohne erkennbaren erzieherischen Einfluss irgendwelcher Erwachsener. Wenn ich noch rechtzeitig segeln lerne, lässt er sich vielleicht von mir zu einer wichtigen Konferenz am anderen Ende der Welt fahren. 

Am Montag nun soll er wieder ein Krippenkind sein. Das ist für den Moment noch sehr schwer vorstellbar. Aber auch aus uns werden wieder Teilzeit- und Wochenendeltern und die Erziehung übernehmen zu größeren Teilen andere, die damit ihr Geld verdienen, während wir für unser Geld Dinge tun, die uns vergleichsweise unwichtig vorkommen, für die wir aber unser Kind in fremde Hände geben. So läuft es nun mal in dieser Welt, in der ich nun angekommen bin. Wie es scheint, nimmt man die Erinnerung an bereits durchlebte (oder durchstorbene?) Welten nicht mit, nur die unstillbare Sehnsucht nach einer neuen, besseren Welt. Gäbe es diese Sehnsucht nicht, würden wir wohl schließlich irgendwo bleiben und uns einrichten. So bringt sie uns weiter, wie ein Zug, der auf seinen Schienen von Bahnhof zu Bahnhof fährt. Bis er nach langer Reise schließlich doch - ankommt. 

Veröffentlicht in Elternzeit, Urlaub am 04.09.2022 8:48 Uhr.

Reisewarnung

Es gibt natürlich auch noch den Städteurlaub. Doch auch hier lauern Haken und Ösen und tückische Fallen. 

Passau schmückt sich ja unter anderem mit dem Titel „Dreiflüssestadt“, weil Donau, Ilz und Inn in ihr zusammenfließen. Man hat die Wahl, ob man die Altstadt mit der Donau, die Innstadt oder die Ilzstadt besuchen will, um an den jeweiligen Gestaden zu flanieren. Ich saß mit unserem Junior im Fond unseres Wagens und navigierte meine schöne und tüchtige Geliebte in ein Parkhaus in der Innenstadt, in der wir uns ausflugs- und besichtigungshalber ergehen wollten. Meine liebe Frau war dann doch etwas irritiert, als wir, meiner mobilfunkgestützten Navigation folgend, die Innenstadt nach ihrer Durchquerung wieder verließen. Ich hieß sie, Ruhe zu bewahren. Innenstadtparkhäuser müssten ja nicht zwangsläufig in der Innenstadt liegen. Es werde schon seine Richtigkeit haben. Die hatte es auch, handelte es sich bei meinem angepeilten Ziel doch um das Innstadtparkhaus. Wir könnten doch von Glück sagen, so erklärte ich meiner verdutzten Gefährtin, dass ich uns nicht ins Ilzstadtparkhaus navigiert hätte. Auch das wäre immerhin möglich gewesen. 

Inn und Ilz sind nun zwei Flüsse, die völlig zu Recht in der Donau verschwinden und über die man jenseits von Passau auch kein Wort mehr verliert. Man fragt sich, ob dieses Schicksal auch die zwei kleineren Parteien einer möglichen Ampelkoalition ereilen kann und kommt zu dem Schluss: eher nicht. Denn anders als ein Fließgewässer kann eine Koalition einfach wieder in ihre Einzelteile zerfallen, was um so wahrscheinlicher wird, je komplexer die Verbindung aufgebaut ist. Eine Koalition kann man also eher mit Atomkernen vergleichen: Wasserstoff (Kernladungszahl 1) ist sehr stabil, jenseits von Blei (Kernladungszahl 82) wird’s wackelig. Welche Kernladungszahl eine Koalition hat, muss man jeweils sehr genau ausrechnen.  

Uns hat Passau jedenfalls gut gefallen. Auf unserem Weg lag dann auch noch Regensburg, was auch eine schöne Stadt sein soll. Dort gibt es ein Parkhaus, in dem man zwar nicht parken, dafür jedoch grandios im Stau stehen kann. Parkhaus-Staus werden in Navigations-Apps nicht angezeigt. Nur durch großes Glück und durch die Standhaftigkeit der Großen Mutter meines kleinen Kindes sind wir überhaupt wieder herausgekommen. Vor dem Arcaden-Parkhaus in Regensburg sei hiermit also ausdrücklich gewarnt. 

Veröffentlicht in Urlaub am 23.10.2021 4:00 Uhr.

Der nächste Urlaub

Gäbe es nach dem Superlativ keine Steigerungen mehr, wäre kein Mensch je zum Mond geflogen. Schlimmer geht aber immer. 

Einer weitverbreiteten Irrmeinung nach interessieren sich Jungen quasi schon vor ihrer Geburt für Bagger, Traktoren und Lokomotiven. In Wirklichkeit ist es natürlich so, dass zunächst nur die Erwachsenen aus dem Häuschen geraten, wenn sie, zum Beispiel während einer längeren Autofahrt, einen Bagger sehen. Der Verkehr staut sich vor einer Baustelle. Das Kind ist wach, in seinem Sitz festgeschnallt und muss irgendwie bei Laune gehalten werden. Das mitgebrachte Spielzeug ist ausgespielt, die Lieblings-CD bleibt nach dem dritten Durchlauf wirkungslos, man wird langsam apathisch, die Bereitschaft, eigentlich streng verbotene Ruhigsteller wie Würstchen oder Handy einzusetzen, steigt. Dann erreicht man endlich die Baustelle: SIEH NUR, EIN BAGGER!! UND DA: EINE ASPHALTIERMASCHINE! PLANIERRAUPE!!! MISCHER! EIN KIPPER! Und tatsächlich, das Kind wird abgelenkt und vergisst für einige Augenblicke seine mißliche Situation. Es ist eben ein Junge. 


Ich erinnere mich nicht daran, Baggern und Traktoren als Kind nennenswerte Aufmerksamkeit gewidmet zu haben. Vielleicht habe ich es nur vergessen. Vielleicht lag es aber auch daran, dass Autofahren nicht zu meinen frühkindlichen Erfahrungen gehörte. Wenn wir fuhren, dann mit der Bahn oder mit dem Bus. Als meine Eltern das erste Auto kauften, war ich schon in der Schule. Möglicherweise war ich aber auch nicht richtig gegendert: ich spielte mit einer Puppe, Spielzeugherd und Spielzeugwaschmaschine. Es gibt ein Bild, das mich vor einer Werkbank zeigt, die ich offenbar zu Weihnachten bekam. Ich kann mich nicht erinnern, je damit gespielt zu haben. Später spielte ich Theater und trainierte in der Voltigiergruppe - ein Mädchensport. 

Unser Urlaub auf dem Bauernhof ist leider wieder vorbei und man fragt sich natürlich, ob das Kind in seinem ersten richtigen Urlaub auch auf seine Kosten gekommen ist. Ganz beiläufig stellt sich dabei die Erkenntnis ein, dass der Begriff „Urlaub“ für unsereinen einen Paradigmenwechsel durchgemacht hat. Tagelang lesen, Ausschlafen, Stadtbummel und ausgiebige Restaurantbesuche - waren ja sowieso nie so meins. Jetzt gilt es, ein Kind glücklich zu machen. Das klappt nicht immer, aber es klappt schon immer besser. Und nach dem Urlaub auf dem Bauernhof kommt: Der Urlaub auf der Baustelle. 

Veröffentlicht in Elternzeit, Urlaub  am 16.10.2021 13:25 Uhr.

Hacker Pschorr

Urlaub ist der Ausnahmefall. Urlaub mit Kind erst recht. Die Steigerung von Urlaub mit Kind ist Urlaub auf dem Bauernhof. Superlativ: Urlaub auf dem Bauernhof im Bayerischen Wald. 


Urlaub auf dem Bauernhof ist heutzutage in erster Linie: Laut. Das war ja klar, denn abgesehen von den Geräuschen, die die Tiere machen, kommen auf dem modernen Bauernhof Geräte und Maschinen zum Einsatz, die nun mal allesamt Krach machen. Natürlich auch nachts. Nachts wiederum ist Dunkelheit zwar weit verbreitet, im Bayerischen Wald ist es aber finster. Da das Adjektiv „finster“ allerdings schon für das Erzgebirge gebräuchlich ist, muss man für den Bayerischen Wald „stockfinster“ verwenden. Besonders bei Neumond. Der Weg vom Elternbett zum weinenden Kind im Kinderbett im wildfremden Schlafzimmer wird zur abenteuerlichen Nachtwanderung und wenn man angekommen ist, sieht man das Kind vor Augen nicht und weiß nicht, wo man den Schnuller hinstecken muss. 

Dafür haben sie aber Bier in Bayern. Sogar auf dem Bauernhof. Es gibt einen Getränkeautomaten, der gekühltes Helles und Weißbier in Flaschen auswirft. Eigentlich gab es nun keinen Grund mehr, den Hof zu verlassen. Wir mussten aber sowieso noch Weißwurst fürs Kind einkaufen und ich dachte, ein bisschen mehr Abwechslung beim Bier kann ja nicht schaden. Im Getränkemarkt wurde mir dann zwischen dem ganzen Hellen, Dunklen,  Weißbier und Zwickel ganz schwummrig. Ich umkreiste ziellos die Kistenstapel, griff mir einen Kasten heraus, bezahlte und schleppte ihn ins Freie. Auf den Flaschen stand Hacker Pschorr. Ich hatte so etwas noch nie gehört und meine Frau bekam einen Lachanfall. Hacker Pschorr! Na und?! Leider konnte ich jetzt den Automaten auf dem Hof nicht mehr benutzen, weil ich die Kiste ja irgendwie leer trinken musste. Mit nach Hause nehmen kann man eine Kiste Hacker Pschorr nicht. Erstens aus Platzgründen. Zweitens kriegt man im Erzgebirge den Kasten nicht los. Und drittens ist außerhalb Bayerns gar nicht zu erklären, wie man in den Besitz so einer Kiste gekommen ist. Hacker Pschorr! 

In Bayern ganz allgemein und im Bayerischen Wald im besonderen lässt es sich auch mit Kleinkind ganz wunderbar wandern. Unser Kind läuft für sein Alter schon beachtliche Strecken und den Rest kann man es gut in einer Rückentrage transportieren. Unsere Wasserflasche ließ ich im Auto, denn es handelte sich jeweils um Streckenlängen zwischen sechs und zehn Kilometern. Meine Frau verstand zunächst nicht, dass ich dessen ungeachtet ohne Weiteres bereit war, ein oder zwei Flaschen Hacker Pschorr in der Rückentrage mitzuführen. Ich erklärte ihr, es handele sich dabei um Ballast. Wenn während der Wanderung die Last zu schwer würde, müsste ich nur die Flaschen leeren. Je mehr, desto besser. Außerdem gibt es ja ein Lied über Hacker Pschorr, das fängt ungefähr so an:
Eines Morgens
in aller Frühe
Hacker Pschorr, Hacker Pschorr, Hacker Pschorr, Pschorr, Pschorr

Veröffentlicht in Elternzeit, Urlaub  am 09.10.2021 4:00 Uhr.

Made with Goldfish

copyright: liedersaenger

iconfinder_207_Mastodon_4518932
iconfinder_Spotify_1298766
iconfinder_INSTAGRAM_1217174
iconfinder_174179_amazon_icon_512px
1298765_soundcloud_icon