Der nächste Urlaub

Gäbe es nach dem Superlativ keine Steigerungen mehr, wäre kein Mensch je zum Mond geflogen. Schlimmer geht aber immer. 

Einer weitverbreiteten Irrmeinung nach interessieren sich Jungen quasi schon vor ihrer Geburt für Bagger, Traktoren und Lokomotiven. In Wirklichkeit ist es natürlich so, dass zunächst nur die Erwachsenen aus dem Häuschen geraten, wenn sie, zum Beispiel während einer längeren Autofahrt, einen Bagger sehen. Der Verkehr staut sich vor einer Baustelle. Das Kind ist wach, in seinem Sitz festgeschnallt und muss irgendwie bei Laune gehalten werden. Das mitgebrachte Spielzeug ist ausgespielt, die Lieblings-CD bleibt nach dem dritten Durchlauf wirkungslos, man wird langsam apathisch, die Bereitschaft, eigentlich streng verbotene Ruhigsteller wie Würstchen oder Handy einzusetzen, steigt. Dann erreicht man endlich die Baustelle: SIEH NUR, EIN BAGGER!! UND DA: EINE ASPHALTIERMASCHINE! PLANIERRAUPE!!! MISCHER! EIN KIPPER! Und tatsächlich, das Kind wird abgelenkt und vergisst für einige Augenblicke seine mißliche Situation. Es ist eben ein Junge. 


Ich erinnere mich nicht daran, Baggern und Traktoren als Kind nennenswerte Aufmerksamkeit gewidmet zu haben. Vielleicht habe ich es nur vergessen. Vielleicht lag es aber auch daran, dass Autofahren nicht zu meinen frühkindlichen Erfahrungen gehörte. Wenn wir fuhren, dann mit der Bahn oder mit dem Bus. Als meine Eltern das erste Auto kauften, war ich schon in der Schule. Möglicherweise war ich aber auch nicht richtig gegendert: ich spielte mit einer Puppe, Spielzeugherd und Spielzeugwaschmaschine. Es gibt ein Bild, das mich vor einer Werkbank zeigt, die ich offenbar zu Weihnachten bekam. Ich kann mich nicht erinnern, je damit gespielt zu haben. Später spielte ich Theater und trainierte in der Voltigiergruppe - ein Mädchensport. 

Unser Urlaub auf dem Bauernhof ist leider wieder vorbei und man fragt sich natürlich, ob das Kind in seinem ersten richtigen Urlaub auch auf seine Kosten gekommen ist. Ganz beiläufig stellt sich dabei die Erkenntnis ein, dass der Begriff „Urlaub“ für unsereinen einen Paradigmenwechsel durchgemacht hat. Tagelang lesen, Ausschlafen, Stadtbummel und ausgiebige Restaurantbesuche - waren ja sowieso nie so meins. Jetzt gilt es, ein Kind glücklich zu machen. Das klappt nicht immer, aber es klappt schon immer besser. Und nach dem Urlaub auf dem Bauernhof kommt: Der Urlaub auf der Baustelle. 

Veröffentlicht in Elternzeit, Urlaub  am 16.10.2021 13:25 Uhr.

Hacker Pschorr

Urlaub ist der Ausnahmefall. Urlaub mit Kind erst recht. Die Steigerung von Urlaub mit Kind ist Urlaub auf dem Bauernhof. Superlativ: Urlaub auf dem Bauernhof im Bayerischen Wald. 


Urlaub auf dem Bauernhof ist heutzutage in erster Linie: Laut. Das war ja klar, denn abgesehen von den Geräuschen, die die Tiere machen, kommen auf dem modernen Bauernhof Geräte und Maschinen zum Einsatz, die nun mal allesamt Krach machen. Natürlich auch nachts. Nachts wiederum ist Dunkelheit zwar weit verbreitet, im Bayerischen Wald ist es aber finster. Da das Adjektiv „finster“ allerdings schon für das Erzgebirge gebräuchlich ist, muss man für den Bayerischen Wald „stockfinster“ verwenden. Besonders bei Neumond. Der Weg vom Elternbett zum weinenden Kind im Kinderbett im wildfremden Schlafzimmer wird zur abenteuerlichen Nachtwanderung und wenn man angekommen ist, sieht man das Kind vor Augen nicht und weiß nicht, wo man den Schnuller hinstecken muss. 

Dafür haben sie aber Bier in Bayern. Sogar auf dem Bauernhof. Es gibt einen Getränkeautomaten, der gekühltes Helles und Weißbier in Flaschen auswirft. Eigentlich gab es nun keinen Grund mehr, den Hof zu verlassen. Wir mussten aber sowieso noch Weißwurst fürs Kind einkaufen und ich dachte, ein bisschen mehr Abwechslung beim Bier kann ja nicht schaden. Im Getränkemarkt wurde mir dann zwischen dem ganzen Hellen, Dunklen,  Weißbier und Zwickel ganz schwummrig. Ich umkreiste ziellos die Kistenstapel, griff mir einen Kasten heraus, bezahlte und schleppte ihn ins Freie. Auf den Flaschen stand Hacker Pschorr. Ich hatte so etwas noch nie gehört und meine Frau bekam einen Lachanfall. Hacker Pschorr! Na und?! Leider konnte ich jetzt den Automaten auf dem Hof nicht mehr benutzen, weil ich die Kiste ja irgendwie leer trinken musste. Mit nach Hause nehmen kann man eine Kiste Hacker Pschorr nicht. Erstens aus Platzgründen. Zweitens kriegt man im Erzgebirge den Kasten nicht los. Und drittens ist außerhalb Bayerns gar nicht zu erklären, wie man in den Besitz so einer Kiste gekommen ist. Hacker Pschorr! 

In Bayern ganz allgemein und im Bayerischen Wald im besonderen lässt es sich auch mit Kleinkind ganz wunderbar wandern. Unser Kind läuft für sein Alter schon beachtliche Strecken und den Rest kann man es gut in einer Rückentrage transportieren. Unsere Wasserflasche ließ ich im Auto, denn es handelte sich jeweils um Streckenlängen zwischen sechs und zehn Kilometern. Meine Frau verstand zunächst nicht, dass ich dessen ungeachtet ohne Weiteres bereit war, ein oder zwei Flaschen Hacker Pschorr in der Rückentrage mitzuführen. Ich erklärte ihr, es handele sich dabei um Ballast. Wenn während der Wanderung die Last zu schwer würde, müsste ich nur die Flaschen leeren. Je mehr, desto besser. Außerdem gibt es ja ein Lied über Hacker Pschorr, das fängt ungefähr so an:
Eines Morgens
in aller Frühe
Hacker Pschorr, Hacker Pschorr, Hacker Pschorr, Pschorr, Pschorr

Veröffentlicht in Elternzeit, Urlaub  am 09.10.2021 4:00 Uhr.

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