Hauptsache teuer

Es ist wieder Zeit für Weihnachtsgeschenke. Zum Wesen dieser Sonderform des Angebindes gehören immer zwingend Unbrauchbarkeit sowie Nutzlosigkeit bei gleichzeitiger Kostenintensität. Wer das beherzigt, kann ein guter Weihnachtsmann werden. 


Ich habe es wieder getan: Weihnachtsgeschenke kaufen. Oder besser: ich habe es nicht getan. Aber ich habe es versucht. Gekauft habe ich nichts. Wobei auch das nicht stimmt, denn ich habe beim Fleischer ein gegrilltes Hühnerbein erstanden. Das ist zwar nicht vegan, aber sie verkaufen dort immerhin keine ganzen oder halben Hühner. Das wäre ja mit dem Überleben des Huhns nicht vereinbar. Jetzt stelle ich mir vor, dass dem Hühnchen eben ein Bein abgenommen wurde und statt dessen hat es wahrscheinlich ersatzweise eins aus purem Silber bekommen. Wie in der Geschichte vom Unglückshuhn von Hans Fallada. Das ist schön für das (Glücks-) Huhn, aber ich habe eben immer noch keine Weihnachtsgeschenke. Es ist aber sinnlos, weiter nach passenden Geschenken zu suchen, denn Weihnachtsgeschenke sollen gar keinen praktischen Nutzen haben. Sie haben eher zeichenhaften Charakter und müssen irgendwie mit Bedeutung aufgeladen werden. Wie bei Myrrhe zum Beispiel oder wie beim Weihrauch. Wer versucht, etwas Brauchbares, vielleicht noch Nützliches zu verschenken, wird scheitern. Was nicht heißt, dass der Preis des Geschenkes keine Rolle spielt. Es muss schon teuer sein. Vor allem aber darf es nicht mühelos erworben sein. Wer einfach nur online bestellt, ohne wenigstens tagelange, qualvolle Internetrecherche, wird ebenso fehlgehen, wie der, der genau weiß, was er wem schenken will und es einfach nur irgendwo abholt. Auch wenn man es dem Geschenk nachher nicht ansieht: die Mühe gehört zum Preis und der muss, wie gesagt, möglichst hoch sein. 

Auf dem Schwarzenberger Weihnachtsmarkt wissen sie das schon lange. Wenn man es endlich, man weiß nicht wie geschafft hat, sich in die auf dem Berge gelegene Altstadt hochzudrängeln und an einem Bratwurst- oder Glühweinstand aus dem unerbittlich weiterlaufendem Förderband aus Leibern auszuscheren, ersteht man lachend um den Preis eines Drei-Gänge-Menüs für vier Personen eine Roster mit Punsch für sich und die Seinen. 

Aber auch in der Politik wird nach diesem Prinzip (ohne Schweiß kein Preis und der muss hoch sein) verfahren. Der Kanzler, sein Vize und der Finanzminister hätten „bis zum frühen Mittwochmorgen … miteinander gerungen“, liest man auf süddeutsche.de. Dann waren sie sich plötzlich einig. Es ging natürlich um Geld und vor allem darum, wofür es nicht ausgegeben werden soll.  Alle, die schon immer kein Geld hatten, schütteln die Köpfe und sind froh, dass sie nicht auch noch solche Sorgen haben. Aber hätten sie sich gleich geeinigt, also ohne miteinander zu ringen, wäre es einfach zu billig gewesen. Und das kann man zu Weihnachten ja wohl niemandem zumuten. 

Veröffentlicht in Weltgeschichte am 15.12.2023 16:00 Uhr.

Wann streiken die Soldaten?

„Alle Soldaten wolln nach Haus, alle Soldaten wolln nach Haus, sie wolln die Uniform nicht mehr, den Stahlhelm und das Schießgewehr, und auch nicht in den Kampf hinaus. Soldaten wolln nur eins: sie wolln nach Haus.“ Reinhard Mey


Ich konnte leider nicht zur Arbeit fahren, weil die Lockführer streiken. Dagegen kann man nicht viel machen. Es ist ein bisschen, als wenn man eingeschneit wäre. Es gibt Gegenden in dieser Welt, da ist das ganz normal. Die Kinder können dann eben nicht zur Schule und bleiben zu Hause. Die Eltern natürlich auch. Einschneien ist keine Katastrophe. Trächtige Eisbärinnen lassen sich regelmäßig einschneien und bringen dann in der gemütlichen Eishöhle ihre Jungen zur Welt. Sie können zwar nicht mehr fressen aber dafür brauchen sie auch nicht zu jagen. Sie schlafen sich endlich mal richtig aus und die Robben können sich ein wenig entspannen. Wir brauchten nicht mehr einkaufen, und würden so das Geld einsparen, dass wir nicht verdienen, weil wir nicht zur Arbeit kommen. Wir würden bis in den März hinein schlafen. Wenn wir dann wieder aufwachen, ist die Welt eine andere. Der Schnee ist noch da, aber die Kriege haben aufgehört. Die ganzen Armeen und die Soldaten sind ja auch eingeschneit und weil sie nichts mehr zu essen hatten, sind sie auch eingeschlafen. Natürlich wollen sie gleich nach dem Aufwachen weiterkämpfen, aber sie müssen schließlich erst mal aufs Klo. Als sie damit fertig sind, merken sie, dass sie vom langen Schlafen hungrig sind und erst mal essen müssen. Also gehen sie auf den Markt und kaufen sich ein Frühstück. 

Nur leider stimmt das alles nicht. Die Robben können sich nämlich gar nicht entspannen, weil sich die Eisbären-Männer überhaupt nicht einschneien lassen. Sie jagen einfach weiter. Genau wie die Soldaten. Das sind auch alles Männer. Die jagen auch immer weiter, ob es nun schneit oder nicht. Da liegt doch  die Frage nahe: Wann streiken endlich die Soldaten? 

Das könnten die Soldaten noch von den Lockführern lernen. Außerdem könnten sie auch noch was übers Totschießen lernen: Kein Lockführer würde freiwillig einen Menschen totfahren. Wenn es doch passiert, bekommt er psychologische Hilfe. Das wäre immerhin schon mal ein Anfang. Wenn nämlich die Soldaten anfangen, über das Töten nachzudenken und darüber, was es mit ihnen macht, merken sie vielleicht einer nach dem anderen, wie sie verheizt werden. Und dann streiken sie endlich. Und gehen nach Haus.

Veröffentlicht in Weltgeschichte  am 09.12.2023 10:34 Uhr.

Sine cerebri

„Karneval“ setzt sich aus den lateinischen Worten für „Fleisch“ und  „wegnehmen“ zusammen. Man könnte es gut als „fleischlos“ übersetzen. Das wäre eigentlich im Sinne einer nachhaltigen Ernährung und durchaus ein Grund zum feiern.


Eine kritische Leserin hat angemerkt, dass ich in meinen einerseits immer spärlicher werdenden Nachrichten andererseits auch noch sehr einseitig geworden bin. Das sei natürlich verständlich, da meine Wandlung vom eingefleischten Solitär zum quasiveganen Familienmenschen ja geradezu als kopernikanisch zu bezeichnen wäre. Andererseits wäre das aber auch schade, da mir eine gewisse Themenvielfalt doch auch ganz gut zu Gesicht gestanden hatte. Wer einen Blick in mein Buch Entropie und Wollmaus aus dem Jahr 2013 wirft, weiß, was gemeint ist. Da ging es noch um das wahre Leben und was es zwischen Europapolitik und Rollenkoffer zu bieten hat. 

Nun, einmal ist es wohl so, dass eine Suchmaschine vor zehn Jahren noch einfach eine Suchmaschine war. Wenn man damals einen Begriff - ich sag mal: gegoogelt hat, bekam man eben eine Liste mit Internetseiten, in denen der gesuchte Begriff eine Rolle spielte. Die Liste sah noch einigermaßen gleich aus, egal, wer da gesucht hat. Heute googelt jeder in seiner eigenen Blase. Außerdem habe ich mich ja selbst erfolgreich in meine Geschichten hinein geschrieben. Dass ich jetzt nicht so einfach wieder hinauskomme, ist eigentlich nicht weiter verwunderlich. Ich will ja auch gar nicht wieder hinaus. Das Leben hier drinnen ist real genug und ich weiß nicht, ob es draußen früher wirklich wirklicher war. Aber vielleicht hätte ich damals um diese Jahreszeit ein paar Worte mehr über den Karneval verloren.

„Karneval“ setzt sich also aus den lateinischen Worten für „Fleisch“ und  „wegnehmen“ zusammen. Man könnte es gut als „fleischlos“ übersetzen. Das wäre eigentlich im Sinne einer nachhaltigen Ernährung und durchaus ein Grund zum feiern, wenn es denn auch so gemeint wäre. Aber wie vieles, was erstmal gut klingt, entpuppt sich auch der Karneval als etwas ganz anderes. In diesem Fall sogar als sein Gegenteil: Statt eines zu begrüßenden Sinneswandels wird der Verlust jeglicher Zurechnungsfähigkeit gefeiert. Eine gewaltige Verschwörung zu Untergang und Verfall ist im Gange, wahrscheinlich die einzige Verschwörung, die es tatsächlich gibt. Und sie scheint wieder Erfolge zu feiern. Con carne, aber sine ceribri. 

Veröffentlicht in Weltgeschichte am 17.11.2023 19:39 Uhr.

Es geht nicht anders 

Menschen lassen sich nicht von außen verändern. Wenn sie sich aber selbst verändern wollen, gibt es praktisch keine Grenzen.

Aggressivität und Gewaltbereitschaft gehören zu unserer phylogenetischen Disposition. Das war für den Planeten nicht weiter bedenklich, solange sich die Artgenossen mit Keulen auf die Köpfe hauten, wenn sich zwei umherziehende Gruppen zufällig begegneten. Die Zeiten sind aber lange vorbei und das Ausmaß der Verwüstung, das kriegerisch ausgetragene Konflikte heute anrichten, ist schon lange nicht mehr hinnehmbar. Wenn die Kinder im Verhältnis etwas Vergleichbares im Kinderzimmer veranstalteten, müsste man einschreiten. Spätestens seit den Zeiten, in denen das Neue Testament aufgeschrieben wurde, wissen Menschen aber auch, dass sie ihrer Biologie nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind, sondern dass sie das, was da in ihnen hochkocht, beherrschen und sich anders verhalten können, wenn sie ihren Verstand benutzen. 

Wer einmal ein deutsches Vernichtungslager und die Anlagen gesehen hat, die für die massenhafte Vernichtung von Menschen erdacht und errichtet worden waren, verzweifelt und fragt sich: Wie konnte das passieren? Wie war es möglich, dass sich zivilisierte Menschen nicht etwa im Affekt, sondern in ruhig überlegter und planvoller Büroarbeit so etwas Bestialisches ausdachten? Es war möglich, weil sich die Idee der Schädlingsbekämpfung durch Tötung und der Ungeziefervernichtung schon lange im Denken eingenistet hatte. Es brauchte nur noch den Schritt, andere Menschen als Schädlinge oder Ungeziefer zu identifizieren. 

Ich glaube an eine Welt, in der die Gewalt in jeglicher Form geächtet und keine Option mehr ist. In dieser Welt hätten wir andere Lösungen für den Umgang mit Schädlingen und Ungeziefer, als sie totzuschlagen oder massenhaft umzubringen. Der Geist, der sich dafür Anlagen ausdenken kann, könnte sich auch etwas anderes ausdenken, wenn er nur wollte. In dieser Welt würden wir uns auch anders ernähren und kleiden, wir würden anders kommunizieren, bauen und wohnen und uns anders bewegen. Wir würden das tun, weil wir erkannt hätten, dass es unsere einzige Rettung ist. Und vor allem, weil wir erkannt hätten, dass es dabei auf uns selbst ankommt, auf jeden einzelnen. Solange alle weiter schreckensstarr vor dem Fernseher sitzen und darauf warten, was die anderen tun, wird einfach geschehen, was eben geschieht. Wir können weiter auf unsere wunderbare Erlösung warten. Wir könnten uns aber auch einfach selbst verändern. Wir haben alles, was wir dazu brauchen. Warum fangen wir nicht jetzt damit an? Es geht nicht anders!

Veröffentlicht in Weltgeschichte  am 09.11.2023 6:25 Uhr.

Üb immer Treu und Redlichkeit bis an dein kühles Grab

Statt des politisch korrekten Wortes „Bösewicht“ benutze ich im folgenden ein anderes Wort, das möglicherweise als anstößig empfunden wird. Die Verwendung der drastischeren Formulierung ist in diesem Falle aber zulässig, weil sie wahr ist. 


Im August 1973 begann mein letzter Kindergarten-Monat. Ab September war ich Schüler. In der Bundesrepublik Deutschland wurde Willy Brandt Bundeskanzler und setzte sich für eine Entspannungspolitik im Kalten Krieg ein. In Chile wurde der demokratisch gewählte Präsident Salvador Allende durch einen Militärputsch gestürzt und Augusto Pinochet übernahm die Macht. In den USA endete der Vietnamkrieg und die Watergate-Affäre erschütterte das Vertrauen in die Regierung. Nichts davon habe ich mitbekommen. Nur dass Walter Ulbricht gestorben war, das war mir nicht entgangen. Im Foyer meines LEW-Betriebskindergartens hing ein Bild des nun verstorbenen Staatsratsvorsitzenden, unter dem wir uns versammelten und die Kindergartenleiterin erzählte uns vom Genossen Ulbricht und seinen Großtaten für unsere junge Deutsche Demokratische Republik. Aber trotz dieses tragischen Verlustes und der Tatsache, dass alle anderen Kinder die ich kannte, viel bessere Spielsachen und ihre Eltern bessere Fernseher und Autos beziehungsweise überhaupt ein Auto hatten, war ich doch ein fröhliches Kind und blieb, was Politik und Weltgeschichte betraf, doch reichlich unbekümmert. Dass etwas mit unserem schönen Planeten nicht so ganz in der Ordnung war, erfuhr ich erst viel später in der Jungen Gemeinde. 

Diese Unbekümmertheit hätte ich heute gern wieder. Ich benötigte zwar sehr dringend einen eigenen Kassettenrecorder und Hörspielkassetten wie „Ali Baba und die 40 Räuber“. Dafür riss ich mir Wimpern aus und blies sie fort, insgeheim und ganz fest wünschend. Einmal durfte ich dann Rogers (sprich: Rotschers) Kassettenrecorder ein paar Tage lang (oder nur ein paar Stunden?) ausleihen und bekam auch seine Kassetten dazu.  Ich war glücklich. Aber mehr war nicht drin. Einen eigenen Kassettenrecorder bekam ich nie. Aber das war eben auch nie ein Problem, mit dem ich mich abends in den Schlaf geweint hätte. 
 
Mit dem Schulanfang begann jedoch nach und nach die Erkenntnis zu reifen, dass dieser wunderbare Planet eben auch von Arschlöchern bewohnt wird. Wer dann  auch noch erkennt, dass daran nichts zu ändern ist, hat schon viel begriffen. Doch auch die Arschlöcher haben ihre Bestimmung: sie sind dazu da, zu erkennen, dass man selbst kein Arschloch ist und auch keins werden will. Sie sind ein Kompass, der in die Richtung zeigt, in der wir auf keinen Fall unterwegs sein wollen. Mehr gehen sie uns nicht an. Dass sie uns beherrschen und die Welt regieren wollen, liegt in ihrer Natur. Sie sind zu bedauern, denn sie finden ihre Ruhe nicht. Aber helfen können wir ihnen nicht. Im Übrigen wird die Welt auch kein besserer Ort, weil wir in ihr leben. Wenn wir aber nur einen Menschen finden oder zwei und auch drei, die wir lieben und an die wir unser Leben verschwenden können - dann sind wir gerettet. 

Veröffentlicht in Weltgeschichte  am 04.08.2023 18:00 Uhr.

Rehe, Rosen und Zitronen

Ein idyllisches Zuhause mit Aussicht auf ein Reh im Garten verspricht harmonische Begegnungen mit der Natur. Doch als das gemeine Reh die Rosenknospen vernichtet, erwachen Ängste vor ungebetenen Besuchern. Die Suche nach Lösungen führt zu ungewöhnlichen Ideen und Zweifeln an vermeintlich sicheren Annahmen. Ein unerwarteter Vorfall bringt eine düstere Wahrheit ans Licht und lässt den Blick auf die Welt der Kinder in einem neuen Licht erscheinen. Inmitten der Tristesse und Bedrohlichkeit bleibt eine letzte Zuflucht: das Gewächshaus, in dem Hoffnung auf fruchtbare Ernte keimt. Doch während die Sorge um die Zukunft wächst, flüstern Gerüchte von einem mysteriösen Video, das die Gemüter in Unruhe versetzt. Eine Geschichte über Verlust, Selbstschutz und die unvorhersehbaren Seiten des Lebens.


Von unserem Küchenfenster aus können wir hin und wieder ein Reh beobachten, das sich im Garten unserer Vermieter etwas zugute tut. Bisher fanden wir das immer niedlich und ganz schön. Das Kind wurde gerufen, wir sahen dem Tiere bei seiner Mahlzeit zu und freuten uns. Mit der Freude war es aber schlagartig vorbei, als in unserem eigenen Garten eines Tages alle Rosenknospen abgefressen waren. Das konnte nur das gemeine Reh gewesen sein und fortan begannen auch wir, über die Sicherung der Außengrenzen unserer Parzelle nachzudenken. Fraglich bleibt auch, ob eine weitere Rehsichtung im fremden Garten jemals wieder Freude auslösen wird, oder ob wir eher dem Waidwerk zuneigen werden, um die grimme, zähnefletschende Kreatur ein für allemal zu vertreiben. Man könnte mit den anderen Gartenpächtern eine Miliz bilden, die rund um die Uhr die Gartenanlage bewacht und das Vieh, wenn schon nicht zur Strecke bringt, dann doch wenigstens dorthin zurücktreibt, wo es hergekommen ist. Sollte sich allerdings herausstellen, dass es sich bei dem gesichteten Tier um ein Wildschwein handelt, müsste man ohnehin über ganz andere Maßnahmen nachdenken. 

Es liegt aber nicht sehr nahe, ein Reh mit einem Wildschwein zu verwechseln. Bei einem Löwen kann das hingegen leicht passieren, wie man jetzt gesehen hat. Ich frage mich allerdings, warum die Suchaktion abgebrochen wurde, nachdem man sich entschieden hat, dass es sich wohl um ein Wildschwein handelt. Als ich noch durch die Wälder meiner brandenburgischen Heimat streifte, war die Angst vor einem aus dem Unterholz brechenden Wildschwein immer präsent und jeder Baum wurde auf seine Erklimmbarkeit hin abgeschätzt. Mit einem wütenden Wildschwein ist nicht zu spaßen und der einzige Unterschied zu einem Löwen ist wohl, dass Letzterer auch auf Bäume klettern kann. Deswegen alle Schutzvorrichtungen abzubauen und zur Tagesordnung überzugehen finde ich nicht sehr verantwortungsvoll. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass es sich bei dem gesichteten Tier um ein Reh gehandelt hat, müssten die Maßnahmen aufrecht erhalten werden, wie mein Beispiel oben ja wohl anschaulich genug vor Augen führt. 

Meine armen Kinder müssen nun ohne Rosenblüten zwischen Blattwerk, Gras und totem Stein aufwachsen. Unser Garten: Ein Gleichnis für die trost- und blütenlose Welt, in der sie einmal leben werden. Gut, dass wenigstens Gurken und Tomaten noch einigermaßen verbißsicher im Gewächshaus heranreifen. Während ich dies schreibe, erreichen mich Nachrichten, dass auf Twitter ein verwackeltes Video aufgetaucht ist, auf dem in einem Gewächshaus südlich der Hauptstadt eine Zitrone zu sehen ist. Allerdings sei das Video schwarzweiß und unscharf und es könnte sich dabei auch um ein anderes Gewächs handeln. Aber man weiß ja nie…

Veröffentlicht in Weltgeschichte, Garten  am 29.07.2023 8:00 Uhr.

Schmutzige Tinte

Ist die Welt so verrückt, weil eine seelenlose KI ihre Geschichte schreibt? 


Man könnte meinen, die Welt ist verrückt geworden. Alle Macht scheint in den Händen von wahnsinnigen bösen Clowns zu liegen, die entschlossen sind, die Liebe und die Vernunft mit allen Mitteln zu bekämpfen und auszurotten. Dabei hatte doch alles so hoffnungsvoll begonnen: Kurz nachdem ich als Bausoldat aus der Nationalen Volksarmee der DDR entlassen worden war, hörte diese Armee auf zu existieren. Sie verschwand einfach und der letzte Verteidigungsminister war evangelischer Pastor und selbst Bausoldat gewesen. Die Sowjetunion, für uns das Original der „Diktatur des Proletariats“, ging unter und wir wurden Westen, für uns das Original der Freiheit und des Wohlstandes. Und jetzt? Was ist passiert, dass Licht und Wärme sich mehr und mehr in Kälte und Dunkelheit verwandeln? Als wäre über einem wunderschönen und farbenfrohen Sommerbild ein Tintenfass umgekippt, dessen Inhalt nun erst langsam und dann immer schneller über das Bild läuft und alles verdirbt und bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet. 

Wie wäre es, wenn die Welt nun so etwas ist wie die Summe der Geschichten, die sie sich sozusagen selbst erzählt. Alles, was erzählt und aufgeschrieben wurde, ergibt ihr Bild, alle Bücher, alle Fotografien, alle Lieder und alle Filme. Was die Menschen sich heute erzählen, wird morgen zu ihrer Wirklichkeit. Und was wäre, wenn es nun aber eine seelenlose Künstliche Intelligenz ist, die unsere Geschichten schreibt? Die in der Lage ist, an einem Tag so viele Geschichten zu schreiben, wie alle menschlichen Geschichtenschreiber zusammen in einem Jahr? Dann würde sich die schmutzige Tinte ausbreiten. Erst langsam und dann immer schneller. Und die Welt, wie wir sie kannten würde sich in eine Welt voller Angst und Schrecken verwandeln, in der es keine Freiheit und keine Hoffnung gäbe.

Das wäre schlimm. Aber zum Glück ist es ja nicht so. Denn wenn die Welt die Summe von irgendetwas ist, dann die Summe unserer Entscheidungen und unseres Handelns. Wir können uns entscheiden, nicht zu hassen und wir können uns entscheiden, keine Waffe in die Hand zu nehmen. Darüber müssen wir dann freilich auch reden und unseren Kindern davon erzählen. Das sollen die Geschichten sein, mit denen meine Kinder aufwachsen und wenn sie dann ihr Herz erreichen können, bilden sie einen lebenslangen Schutz vor der schmutzigen, dunklen Tinte. Und die Hoffnung wird sie nie verlassen. 

Bildnachweis: Ulf × DALL·E Human & AI

Veröffentlicht in Elternzeit, Weltgeschichte  am 04.02.2023 5:00 Uhr.

Die Bahn schlägt zurück

Über die Bahn wurden viele Witze gemacht: Ihre vier schlimmsten Feinde, der dumme Sohn, Genuss in vollen Zügen. Jetzt will sie aus der Defensive kommen. Au weia!


Die Bahn will irgendwie aus ihrem Image-Tief heraus. An den Baustellen, Verspätungen und Ausfällen wird sie nichts ändern können, also versucht sie die Flucht nach vorn und droht mit einer "Serviceoffensive". Bitte nicht! Möge dieser Kelch, wenn es sein kann, an uns vorübergehen! Ich wurde nämlich Zeuge, wie sich das bereits vorhandene Personal offenbar schon mal auf seine neue Aufgabe einschießt: Da kommt man nichtsahnend am frühen Morgen in seinen Zug und erlebt die Zugbegleiterin, die bisher Fahrkarten kontrollierte und einen bestenfalls informierte, dass man seine Anschlüsse nicht erreichen würde, eben jene als lästig, aber vollkommen ungefährlich einsortierte Begleitperson erlebt man also unvermittelt mitten in einem psychologischen Kriseninterventionsgespräch. Die Durchführung erinnerte mich allerdings an meine Musiktherapiestunden nach dem ersten Ausbildungswochenende: Beeindruckt von den ersten Erlebnissen in der Selbsterfahrungsgruppe versuchend, das Erfahrene an die armen „Patienten“ weiterzureichen. Die Begleitperson begann, von sich zu erzählen und ihr neues professionelles Selbstverständnis darzulegen. Es sei ja ihr Job, die Menschen, die in ihren Zug kämen zu verstehen. Das war mir neu. Ich hatte auch mal bei der Bahn gelernt und alles, was wir damals im Zugbegleitdienst verstehen mussten, war vielleicht der Bahnhof, an dem die Fahrgäste aussteigen wollten. Ansonsten machte man sich lieber dünne, wenn man nicht von wütenden Schichtarbeitern verprügelt werden wollte, die wieder mal nicht pünktlich nach Hause kamen, weil eine Weiche nicht funktionierte. 

Jetzt sollte der Fahrgast seine Sicht auf die Welt und das Leben erläutern. Die Begleitperson nahm eine aktiv-zuhörende Haltung an. Der Fahrgast sagte, er lehne die Gesellschaft als solche ab. „Aha“ machte die Begleitperson. Ja, meinte der Fahrgast, er könne schließlich nichts dafür, dass er hier hineingeboren sei und nun solle er sich auf einmal an Regeln und Konventionen halten. Das sehe er nicht ein. Aber man müsse doch wenigstens die Gebote der Höflichkeit beachten und zum Beispiel „Guten Morgen“ sagen, hakte die Begleitperson ein. „Wieso denn?“ fragte der Fahrgast. Er wolle ja nichts mit diesem Kollektiv zu tun haben, also müsse er auch keine Regeln beachten. „Au“ machte die Begleitperson, das sei schwer. Das könne sie jetzt doch nicht so ganz verstehen.  

Im weiteren Verlauf erfuhr ich, dass der Fahrgast seine Geldbörse, in der sich das Ticket befand, zu Hause vergessen hatte. Dass er jetzt deswegen ein erhöhtes Beförderungsentgeld bezahlen solle, finde er blöd. „Das ärgert dich, hm?“ fragte die Begleitperson. Der Fahrgast bekam Schnappatmung. Ja, sie merke ihm jetzt sogar eine gewisse Gereiztheit an und müsse das Gespräch darum an dieser Stelle beenden. Sie stand ohne neue Terminvereinbarung auf, kam zu mir, kontrollierte meinen Fahrschein und verschwand in der Weitläufigkeit der Erzgebirgsbahn. Offensive heißt Angriff. Die Bahn schlägt zurück. Und wir haben dem nichts, aber auch gar nichts entgegenzusetzen. 

Veröffentlicht in Weltgeschichte am 14.08.2022 9:06 Uhr.

Unvorstellbar

Altes Brot ist nicht hart. Kein Brot, das ist hart! 


Ich sollte ein Brot kaufen. Nichts leichter als das! Auf dem Nachhauseweg suchte ich ein einschlägiges Geschäft auf und studierte das Regal mit den Backwaren. Mischbrot -, so habe ich von meiner lieben Frau gelernt, Mischbrot also, wird immer so schnell trocken. Meine Mutter muss das auch gewusst haben, denn sie hatte eine Dauerbestellung über zwei Roggenbrote beim Angermüller - Bäcker in Hennigsdorf. Jede Woche hatte ich dort das Brot abzuholen und zu bezahlen. „Zwei Roggenbrote für Schwester Eva“ musste ich sagen und es war mir immer unangenehm, weil ich meinte, alle die es hörten würden denken, meine Mutter wäre eine Nonne. Und es hörten viele, denn es standen immer viele Menschen dort an, bis weit auf die Straße hinaus. Die Warterei war aber noch viel schlimmer, als den Schwester - Eva - Spruch aufzusagen, denn es gab noch keine Handys. Man stand einfach nur da und guckte seinem Vordermann / seiner Vorderfrau auf den Rücken und musste sich die Gespräche anhören. Oder eben, für wen die Kinder hier Bestellungen abholten. Nach einer gefühlten Ewigkeit fuhr ich mit zwei Stoffbeuteln am Lenker wieder nach Hause. 

Jetzt war ich allein im Laden und mein Blick fiel auf ein kleines Brot, vielleicht 500 Gramm, das wirklich unverschämt gut aussah. Ich zeigte darauf und begehrte, es käuflich zu erwerben. Es handele sich um ein Dinkel-Roggenbrot, informierte mich die Verkäuferin. Ich strahlte sie an und nickte. Sie packte es in eine Plastiktüte und verlangte:
VIEREUROZEHN.
Ja, Herrschaftszeiten, wo leben wir denn? VIEREUROZEHN für ein kleines Brot! Dafür kann man zwei Liter Benzin kaufen oder drei Flaschen Bier. Legt man noch fünf Euro dazu, kann man einen Monat lang kreuz und quer mit den Öffis durch das ganze Land fahren. VIEREUROZEHN, das sind ja 8,20 DM! Auf dem Schwarzmarkt wären das Zweiundachtzig Ostmark gewesen. Aber was soll’s? Ich habe natürlich nichts gesagt und bezahlt. Das Brot war auch wirklich lecker. Unser Kind verdrückte zum Abendbrot drei Scheiben. 

1920 kostete ein Pfund Brot 1,20Mark. 1922 schon 3,50 Mark. Ein Jahr später, im September 1923 bezahlte man für das gleiche Brot 2 Millionen Mark. Man musste mit der Schubkarre zum Brot holen fahren und die Schubkarre war anschließend leer. Unvorstellbar. 

Veröffentlicht in Weltgeschichte am 16.07.2022 12:35 Uhr.

Heiraten, Torte essen, Bier trinken

Man muss die Feste feiern, wie sie fallen und nur weil einer recht hat, wird er dadurch nicht sympathischer. 


Es ist ein schöner Brauch, die Einschulungsfeierlichkeiten des Nachwuchses langfristig zu planen und geladene Gäste zu bitten, sich diesen Termin möglichst freizuhalten. Wir möchten uns dem anschließen und werden demnächst Einladungen zur Einschulungszeremonie unseres Sohnes im Jahr 2026 versenden. Da wir noch nicht wissen, in welchem Bundesland unser Kind eingeschult werden wird, bitten wir darum, dass alle Samstage vom 1.8.-15.9.2026 freigehalten werden. Wir werden den Termin zu gegebener Zeit konkretisieren. Ähnlich sind wir ja mit der Einladung zur Feier unserer kirchlichen Trauung vorgegangen. Immer wieder kommen Anfragen herein, ob man noch frei disponieren könne oder ob der Termin nun feststehe. Aber auch hier ist der Veranstaltungsort noch nicht endgültig bestimmt, das Wetter muss mitspielen und eine geeignete Amtsperson muss auch noch gefunden werden. Wenn wir uns alle weiterhin ein bisschen in Geduld üben, kann man die Feier vielleicht mit der Konfirmation unseres Sohnes, seiner Hochzeit oder unserer Silberhochzeit verbinden. 

Der Christian und die Franca haben ja nun auch geheiratet. Also der Lindner und die Lehfeldt. Auf Sylt. Es gab viel Kritik. In Dippoldiswalde wird das warme Wasser rationiert und der Bundesfinanzminister feiert Traumhochzeit! „Die trauen sich was“ titelte die Süddeutsche.  Aber natürlich machen die beiden alles richtig. Wenn morgen die Welt unterginge - heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen. Nicht, dass mir der Marco Buschmann etwa sympathisch wäre, aber in dem Punkt gebe ich ihm doch recht: Geheiratet werden muss immer und es muss mit dem größten möglichen Luxus gefeiert werden. Geht nicht gibts nicht. 

All das schreibe ich bei ruhigem Herbstwetter von meinem Alterssitz im Erzgebirge aus. Am nächsten Wochenende wollen wir schon mal die Adventsdeko aufbauen. Vielleicht bekommen wir ja auch schon etwas Schnee. Das war nach den Hitzewellen der vergangenen Wochen nicht anders zu erwarten. Die gesamte Hitze des Jahres ist damit so gut wie aufgebraucht. Möglicherweise gibt es noch ein paar warme Tage, aber mehr ist einfach nicht drin. Das Pulver für diesen Sommer ist verschossen. Dass es im nächsten Jahr besser wird, muss nach allem was wir wissen bezweifelt werden. Darum soll man jetzt: Heiraten; Torte essen; Bier trinken. Und morgen sehen wir ja, was dann noch geht. 

Veröffentlicht in Weltgeschichte am 30.06.2022 10:00 Uhr.

Zeichen der Hoffnung

»Auge um Auge, Zahn um Zahn.« Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.


Die Geschichte von Honecker und dem Pastor, die ich gerade in der ZDF-Mediathek gesehen habe, spielte lange bevor meine Geschichte mit Lobetal begann. Immerhin hatte ich im Rahmen der Diakonenausbildung in der Berliner Stephanus-Stiftung schon mal von Lobetal gehört und wir waren auch einmal dort gewesen. Aber ich bin kein Zeitzeuge und kann nicht einschätzen, wie nahe der Film an den Ereignissen dieser Tage ist. Was ich aber für durchaus realistisch halte, sind die wütenden Proteste und der Hass gegen die Honeckers und dass Lobetal eine Zeitlang der einzige Ort war, wo sie unterkommen konnten. Ich weiß nicht mehr, wie ich damals auf diese Geschichte reagiert habe. Heute zeigt sie mir jedenfalls den unseligen Kreislauf von Unrecht, Hass und Gewalt, aber vor allem, wie er überwunden werden kann. Die meisten Menschen, denen Unrecht und Gewalt geschieht, werden offenbar zu Wölfen, die wiederum nicht anders können, als selbst wieder Unrecht und Gewalt zu verüben. Als hätte es irgendeinen Sinn, die tragisch-komischen, ja fast schon lächerlichen Figuren zu hassen, die die Honeckers in diesen Tagen darstellten. Als hätten sie irgendetwas aus- und anrichten können, wenn es nicht die Hundertschaften von Bürgerinnen und Bürgern gegeben hätte, die all das Unrecht geplant, verwaltet, ermöglicht und begangen haben. 

So war es mit Hitler und so ist es jetzt auch mit Putin. Die unausrottbarsten unserer Verschwörungserzählungen handeln von Ungeheuern, die uns Gewalt antun und die uns unterdrücken und die dann ganz allein für all die Greuel verantwortlich sind, die unter ihrer Schreckensherrschaft begangen wurden. Marina Weisband schreibt auf Twitter ganz richtig, dass es nicht Putin ist, der Städte bombardiert und der auf Ukrainer schießt. Er verprügelt keine Demonstranten und er sperrt sie auch nicht weg. Er könnte das gar nicht. Nur wir selbst können uns einander all diese Ungeheuerlichkeiten antun und wenn wir das alle nicht mehr tun wollen, wird es auch nie wieder passieren. 

Pastor Uwe Holmer wäre aus der Reihe der Lobetaler Anstaltsleiter vielleicht nicht hervorgetreten und die Verleihung der Verdienstmedaille der DDR ließ ihn nicht gerade widerständing erscheinen. Aber mit seinem Beispiel der Barmherzigkeit und seinem mutigen Widerstand gegen den Mainstream von Rache und Vergeltung ist er zu einem lebendigen Zeichen der Hoffnung geworden: Hoffnung, dass Menschen doch an ihrer Seele heil bleiben können, auch wenn sie unter Gewalt und Unterdrückung leiden müssen. Hoffnung, dass die Logik der Vergeltung, das Auge um Auge und Zahn um Zahn doch überwunden werden kann. 

Veröffentlicht in Weltgeschichte am 18.03.2022 13:00 Uhr.

Ärger im Kindergarten

Engpässe, Mangel und Versorgungsschwierigkeiten sind auch ein Stück Erinnerung an die Kindheit und daran, dass ständige Verfügbarkeit von allen Dingen keine Selbstverständlichkeit ist. Und auch nicht notwendig. 


Mein täglicher Weg in den Kindergarten führt uns am Schwarzenberger Finanzamt vorbei, das sich anmutig zwischen eine kurvige Hauptstraße und das mäandernde Schwarzwasser schmiegt. Dieser Tage drängen sich dort am frühen Vormittag ungewöhnlich viele Mitarbeiter um einen Schreibtisch und betrachten kopfschüttelnd Dokumente auf den nebeneinander gruppierten Monitoren. Zweifellos handelt es sich bei den Dokumenten um unsere Steuererklärung, denn wir wollen fast alles zurückgezahlt haben. Wir haben nichts zu verschenken und ich bringe seit einem Jahr kein Geld mehr nach Hause. Meine liebe Frau muss sich täglich verdingen, damit ich mir das Nötigste im Internet bestellen kann. Jetzt wird es noch einmal teurer, denn einerseits muss der Kindergartenplatz bezahlt werden und zum anderen schlagen meine nun täglichen Ausflüge ins Kaufland gehörig ins Kontor. Beides hängt zweifellos zusammen und da die Kita nicht dafür aufkommt, muss eben das Finanzamt ran. Sollen sie ihre Köpfe schütteln, soviel sie wollen, Hauptsache, sie zahlen. 

Im Kaufland gibt es auch kein Sonnenblumenöl mehr. Anfang der Woche hatte Jan Böhmermann getwittert, dass er seine Pfannkuchen in Dieselöl gebacken hätte, weil das Sonnenblumenöl so teuer wäre. Ich habe das gar nicht verstanden, bis ich das Sonnenblumenöl auf dem Einkaufszettel hatte. Da gab es schon keins mehr. Ich dachte erst, die Diesel-Fahrer hätten es sich in den Tank gekippt, zumindest mit Rapsöl funktioniert das. Wie auch immer, es gibt Weniges, auf das ich fröhlicher verzichten kann, als auf Sonnenblumenöl. 

Im Kindergarten verbreiten sie weiter Zuversicht. Ab nächste Woche solle das Kind an einer der Mahlzeiten teilnehmen. Das wird auch Zeit, denn die Tischmanieren lassen im Privaten jetzt doch ein wenig zu wünschen übrig, besonders, wenn er sich satt gegessen hat. Aber sie sollen es auch nicht übertreiben. Ich kann mich erinnern, dass ich im Kindergarten großen Ärger bekommen habe, weil ich mir eine als Sonnenblume abgeschälte Apfelsinenschale auf den Kopf gesetzt habe. Das, so wurde meinen Eltern mitgeteilt, sei unhygienisch, weil ich mich damit verteidigt hatte, dass wir uns zu Hause zu jeder Mahlzeit Apfelsinenschalen-Blumen-Hüte aufsetzten. Diese Erinnerung ist auch deshalb interessant, weil sie darauf schließen lässt, dass es in der DDR gar keine Apfelsinenengpässe gegeben hat. Bananen waren vielleicht knapp. Und Sonnenblumenöl hatten wir, glaube ich, auch immer genug. 

Veröffentlicht in Elternzeit, Kindergarten, Weltgeschichte am 17.03.2022 13:00 Uhr.

Weitersagen

Endlich ist das Virus nicht mehr in den Top-Meldungen. Aber schlechte Nachrichten kann man nur durch eines ersetzen: Noch schlechtere Nachrichten. 


Aufgewachsen in einem Land, in dem der Kampf für den Frieden sozusagen Alltag war, beschleichen einen jetzt allmählich die Zweifel, ob man genug gekämpft hat, oder ob man vielleicht zu halbherzig oder gar nicht bei der Sache war oder auch einfach zu früh wieder damit aufgehört hat. Jeden 1. Mai waren wir auf der Straße. Wir haben für die Freiheit von Angela Davis und Luis Corvalán demonstriert. Und natürlich war jeder Tag in der Schule oder am Arbeitsplatz ein Kampftag für den Frieden. Dass der Friede bewaffnet sein musste, lernte jedes Kind am Beispiel des Igels. Aber irgendwann reifte auch die Einsicht in den zerstörerischen Geist der Abschreckung und in die Dummheit der Erstschlagslogik nach dem Motto: wer zuerst schießt stirbt als zweiter. Am Ende stand dann die Überzeugung von der Sinnlosigkeit von Gewalt und militärischer Auseinandersetzung. Alles würde ich seitdem kampflos demjenigen überlassen, der es gewaltsam von mir fordert. Es sei denn, es wäre mehr wert, als das eigene Leben. Lange Zeit hat es so etwas nicht gegeben. Nichts, wofür ich gekämpft hätte. Aber heute? Heute würde ich wohl mit Frau und Kind fliehen. Und müsste mich weiter fragen: Habe ich genug getan? Warum hat es nicht gereicht? Was kann ich jetzt noch tun? 
 
Unter dessen kämpft mein Kind mit aller Kraft, die ihm zu Gebote steht. Er verteidigt seine Autonomie mit Klauen und Zähnen und jede Idee, die nicht seine eigene ist, wird erbittert abgewehrt. Und so weinen wir uns gemeinsam in diesen sonnigen Vormittag. Mein Kind weil es fremdbestimmt gegen seinen Willen angezogen wird und sein Vater, weil er sich auf einmal so alt und kraftlos fühlt. 

Mag sein, dass auch ich auf den Tag gewartet habe, an dem nicht mehr nur die Seuche Schlagzeilen macht. Aber war nicht von vornherein klar, dass diese Schlagzeilen nicht von der Meldung über ein neugeborenes Kind abgelöst würden, das die Welt retten kann? Gute Nachrichten verkaufen sich eben nicht und wer im Nachrichtengeschäft überleben will, braucht immer wieder neue Schlechtigkeiten. Irgendwo sind aber immer auch die guten Neuigkeiten versteckt und wer eine findet, kann sie gerne weitersagen. 

Veröffentlicht in Elternzeit, Weltgeschichte am 28.02.2022 13:15 Uhr.

Was passiert

Warum der Weltfrieden als größter Traum der Menschheit noch nicht Wirklichkeit ist


Eigentlich hätten die Schnürsenkel der Winterschuhe schon zum Ende des vergangenen Winters reißen müssen. Unerklärlicher Weise halten sie aber immer noch. Das kann nur damit zusammenhängen, dass ich es noch nicht wirklich eilig hatte. Zweifellos gehen sie genau dann kaputt, wenn ich mal wieder zur Bahn muss und ein bisschen spät dran bin. Getreu dem Sprichwort: „Spare in der Not, da hast du Zeit dazu!“, könnte ich sie immer noch rechtzeitig auswechseln. Aber das wäre zu einfach, und Einfachheit passt nun mal nicht in eine Welt, die immer komplizierter wird. Also warte ich eben ab, was passiert und rede in der Zwischenzeit unaufhörlich darüber, dass der Schnürsenkel bald reißen wird. 

Heute ist allerdings keine Eile geboten, weshalb der Schnürsenkel folgerichtig ganz bleibt. Wir müssen nur in die Stadt, um im dritten Anlauf eine Geburtstagskarte zu kaufen. In der Altstadt ist unser Kind bekannt wie ein bunter Hund. Er schlendert durch die Schloßstraße und ich trotte mit dem Kinderwagen hinterher. Eine Frau spricht ihn an, stellt sich als Oma der großen Mädchen vor und die beiden reden eine Weile über dies und das. Das heißt, die Frau redet über dies und das und mein Sohn schweigt. Ich stehe mit meinem Kinderwagen in der Gegend herum, lächele dümmlich und schweige auch. Dann können wir weitergehen und ich kaufe die Karte. Wenn man jemandem etwas sehr Teures schenken will, ist eine Geburtstagskarte heutzutage die richtige Wahl. Aber wer weiß, vielleicht klappt sie ja beim Öffnen in einen Kleinwagen um oder besser noch, sie enthält  einen dienstbaren Geist, der einem drei Wünsche erfüllt. Dann könnte man sich den Kleinwagen wünschen, ein Grundeinkommen und obendrauf noch den Weltfrieden. 

Ach ja, der Weltfrieden. Es ist doch verrückt, womit der schon alles erfunden werden sollte. Erst mit Dynamit. Dann mit der Atombombe und zum Schluss mit der bemannten Raumfahrt. Warum klappt es denn nur nicht? Das Kind besteht jetzt darauf, den Kinderwagen alleine nach Hause zu schieben. Mit einem Freudenschrei lässt er ihn dann den Berg hinab sausen. Ich renne hinterher, kann aber nicht mehr verhindern, dass die Kutsche in der dreißiger Zone geblitzt wird. Aber was soll’s? Shit happens. 

Veröffentlicht in Elternzeit, Weltgeschichte am 24.02.2022 12:45 Uhr.

Da sieht man mal, wie weit wir sind

Hammer und Sichel sind unter anderem Symbole der untergegangenen Sowjetunion. Sie liegen fein säuberlich in einer Kiste und werden jeden Sonntag poliert.


Ich hatte früher eine Schulhose, eine Haushose und eine Draußenhose. Wobei ich mir bei der Draußenhose nicht ganz sicher bin. Es könnte auch sein, dass es eine Spielhose war. Mit diesen drei Hosen bin ich heute immer noch unterwegs. Seit dem Wochenende ist noch eine neue Hose dazu gekommen: es ist die Relaxhose. Sie ist ein Geschenk meiner Frau und als solches mit einer Bedeutung aufgeladen, die weit über ihre eigentliche Zweckbestimmung hinausgeht. Darum achte ich darauf, dass ich sie wenigstens 12 Stunden am Tag trage. Zu Weihnachten bekam ich lange Unterhosen, die ich während der anderen 12 Stunden des Tages an habe. Womit die Frage der Investitur zwischen uns beiden hinreichend geklärt wäre. Während ich laut über diese Dinge nachdenke, guckt mir das Kind von unten in die Nasenlöcher und ruft: da ist ein Popel! Es ist immer wieder diese entwaffnende Ehrlichkeit, die wir an unseren Kindern so schätzen. Allerdings kann sich so ein Kind auch schnell mal irren. Das müssen wir Ihnen dann nachsehen. 

Man muss Kindern überhaupt alles nachsehen, sagt meine Frau lächelnd, als das Kind endlich friedlich im Schlafe liegt. Zuvor hatte er mein Gesicht in einen Berg umgewidmet, den es zu besteigen galt und auf meinen Rippen ließ sich trefflich Trampolinspringen trainieren. Dahinter steckt keine Bosheit. Und trotzdem gibt man einem Kind keinen Hammer oder gar einen geladenen Revolver in die Hand. Bei Putin wäre ich mir mit den bösen Absichten nicht so sicher. Und er hat nicht nur einen Hammer, sondern auch eine Sichel. Beides bewahrt er in einer Kiste auf, die er in einer Nacht- und Nebelaktion aus Breschnews Grab an der Kremlmauer geklaut hat. Das ist alles mehr als besorgniserregend. Das ist beängstigend. 

Ob Putin auch eine Relaxhose hat? Gut möglich. Hatte er nicht so eine getragen, nachdem er mit Gerhard Schröder aus der Sauna gekommen ist? Breschnew hatte definitiv keine Relaxhose. Er war ja Ukrainer und zu seiner Zeit gab es so etwas in der Gegend um Dnipropetrowsk noch gar nicht. Auch das Relaxen als solches ist erst viel später aufgekommen. Allenfalls war das Relaxieren bekannt, aber dafür gab es noch keine speziellen Hosen. Da sieht man mal, wie weit wir sind. 

Veröffentlicht in Elternzeit, Weltgeschichte am 14.02.2022 13:40 Uhr.

Was sich die Apfelbäume einer anderen Welt am Lagerfeuer erzählen

Beim Schneemann bauen wird dem Autor bewusst, dass er kein Che Guevara mehr wird. 


Manchmal liege ich doch nachts wach und denke: Mann, Mann, Mann. Was soll das noch alles werden? Normal ist das bei mir aber nicht. Normalerweise ist es eben, wie es ist, und dann muss man mal sehen. Aber manchmal kommt auch eins zum anderen und dann wird es schnell mal zu viel. Dabei war die Welt noch nie ein Ort, wo man gerne Urlaub machen würde. Die Welt war vielmehr schon immer das, was wir daraus machen. Und das ist meistens Murks. Zumindest, wenn ich daran beteiligt bin. Mir war völlig klar, dass der Toaster es nicht lange mitmacht, wenn ich in ihm mit der Kuchenzange nach dem Toast stochere.  Alles nur eine Frage der Zeit, bis es mal funkt. Dahinter steht keine böse Absicht. Weder bei mir, noch beim Toaster. Ich will mir halt die Finger nicht verbrennen und so ein Toaster kann eben auch nicht aus seiner Haut. 

Die friedliche Koexistenz ist nun mal eine Illusion. Ob zwischen Mensch und Mensch, Mensch und Maschine oder zwischen Staaten, irgendwann knallt es. Dann muss man klug damit umgehen. Es wäre verkehrt, jetzt noch mit der Gabel dazwischen zu gehen. Aber was weiß ich schon! Ich muss auf mein Kind achten und sonst gar nichts. Der tummelt sich im frischen Schnee, der sich über Nacht wieder auf die Straße gelegt hat und baut sich einen gleichnamigen Mann. 

Den würde er gern seiner Mutter zeigen, die am frühen Nachmittag von der Arbeit kommt, aber der Schneemann wird die Mittagsstunde wahrscheinlich nicht überleben. Also baut er ihn mitten auf die Straße, wo er vielleicht ein heldenhafteres Ende findet, als in der Sonne dahin zu schmelzen. Die Frage ist eben: will man kurz und intensiv leben, heldenhaft sterben und zur Legende werden oder will man ein langes Leben und letztlich still und leise in Bedeutungslosigkeit und Vergessen verschwinden. Eine Frage, die der Schneemann beantworten müsste. Ob die Welt noch jung genug ist, um zur Legende zu werden, lässt sich von meinem Standpunkt aus schlecht einschätzen. Vielleicht würden die Apfelbäume einer anderen Welt ihre Geschichte am Lagerfeuer erzählen, ginge sie morgen unter. Bei mir selbst würde ich jedenfalls sagen: der Zug ist abgefahren. Gott sei Dank!

Veröffentlicht in Elternzeit, Weltgeschichte am 11.02.2022 12:45 Uhr.

Der freundliche Opa

Soll man immer das sagen, was die anderen von einem hören wollen oder gerade nicht? Was ich meinem Kind geraten habe und Olaf Scholz raten würde. 


Schulz war bei Biden. Gelesen ist das ein Satz wie jeder andere. Aber wenn man ihn hört, vermittelt er doch einen starken Eindruck von Vollständigkeit. Leider trügt der Eindruck, denn Scholz war nur bei einem und er hat die Worte nicht gesagt, auf die alle gewartet haben. Er hätte nur „Nord Stream zwei“ sagen müssen. Hat er aber nicht und jetzt sind die Amerikaner verwirrt. Was ist bloß los mit diesem Scholz? Das fragen sich die Amerikaner nun zu Recht. Man muss aber auch Scholz verstehen. Der sagt sich: warum soll ich etwas sagen, das sowieso alle wissen? Es gibt Wichtigeres! Aber das will natürlich wieder keiner hören. Nur Nord Stream zwei, Nord Stream zwei, Nord Stream zwei. So. Wir kennen das von unserem Kind. Er erzählt und erzählt den ganzen Tag, aber wenn man ihn was fragt, wird er stumm wie ein Fisch und grinst nur irgendwie schlumpfig herum. Meine Frau fragt ihn zum Beispiel jeden Tag, was es zum Mittag gab. Sie bekommt nie eine Antwort. Wahrscheinlich denkt er, sie weiß es doch ganz genau. Schließlich hat sie es ja gekocht!

Er wird er vermutlich auch nicht erzählen, dass wir heute Vormittag in der Apotheke waren, obwohl sie das nun wirklich nicht wissen kann. Wir wollen nämlich alle drei in den Kindergarten und obwohl gewissermaßen dreimal geduscht müssen wir Erwachsenen doch nochmal kurz vorher Hände waschen. Sei's drum! Ist ja auch irgendwie richtig. Auch nach dreimal duschen kann man sich schließlich die Hände wieder schmutzig machen. Als wir dann wieder nach Hause kamen, mussten wir einem Auto ausweichen. Leider blieb es mitten im Weg stehen und kurbelte schön langsam seine Scheibe herunter. Ein freundlicher Opa schaute heraus und begann eine Konversation. Er sollte sagen, wer er sei. Der Junge biß seine Lippen zusammen und schwieg.  

Darf ein fremder Opa, freundlich oder nicht, solche Auskünfte überhaupt einholen? Diese Frage dürfte unserem Sohn durch den Kopf gegangen sein. Ich riet ihm zunächst, er solle doch einfach zurückfragen. Andererseits denke ich jetzt, wenn er sich mal verirrt und schon mal auf freundliche Menschen trifft, ist es vielleicht ganz nützlich wenn er sagen kann, wer er ist und wo er herkommt. Also rate ich jetzt Olaf Scholz, sich nicht länger so anzustellen und einfach mal zu sagen, was man von ihm hören will. Wird schon nicht wehtun. 

Veröffentlicht in Elternzeit, Weltgeschichte am 09.02.2022 13:10 Uhr.

Segenswünsche

Es sind meistens kleine Ereignisse, die große Veränderungen bewirken. Sie fordern uns heraus, aber wir müssen uns nicht vor ihnen fürchten. 


Wahrscheinlich kommt es gar nicht so selten vor, dass Briefträger von Krokodilen gefressen werden. Von Problemen mit Hunden hat man ja schon öfter gehört. Jedenfalls kann man sich jetzt in der offiziellen App der Deutschen Post anzeigen lassen, wenn ein Brief zu einem unterwegs ist. Dann kann man sich den Brief nämlich selbst von der Post abholen, wenn der Briefträger, warum auch immer, nicht mehr kommen kann. Vielleicht gilt  die Briefzustellung auch bald als Komfortleistung, die man als Empfänger dazu buchen muss. Standard ist dann die Selbstabholung. Auch die Post muss eben kreativ sein und sich Gedanken machen. Immer nur das Porto erhöhen stößt irgendwann an seine Grenzen. Ja, doch, diesmal bin ich es wirklich selbst. Ich diktiere nur mit verstellter Stimme. Das wurde notwendig, um alle Spuren zu verwischen, die ich diese Woche im Netz hinterlassen habe. Denn wenn Putin und Xi die Welt unter sich aufgeteilt haben, ist es erst einmal wieder besser, den Kopf einzuziehen. Dass das passiert, ist nicht so unwahrscheinlich, wie von Krokodilen gefressene Briefträger. Schließlich hat Amerika mit sich selbst zu tun und dem Rest des Westens geht es auch nicht besser. 

Meine Urgroßmutter Auguste erlebte im Deutschen Kaiserreich Kindheit und Jugend und heiratete in der Weimarer Republik. Ihre Kinder wuchsen unter der Hitler-Diktatur heran und die älteste Tochter brachte in dieser Zeit  ihre beiden Kinder zur Welt. Deren jüngstes wurde mein Vater. Rentnerin wurde Auguste in der Deutschen Demokratischen Republik. Als sie 1990 als Bürgerin der Bundesrepublik Deutschland starb, gab es die DDR nicht mehr. Wer in jenem Jahr geboren wurde, dem mag es heute als jungem Erwachsenen so vorkommen, als sei die Welt, in der wir leben mehr oder weniger stabil. Auguste erlebte mit 36 Jahren schon den zweiten Wechsel des politischen Systems und mit Mitte vierzig schon den zweiten Krieg. 

Ich werde wohl erleben, in welche Welt unser Sohn hineinwächst und welchen Platz er darin einnimmt. Heute ist er zum zweiten Mal alleine nach dem Mittagsschlaf aufgestanden und zu mir ins Wohnzimmer gekommen. Er ist jetzt also schon ein großer Junge. Möge er weiterhin so mutig seine Welt erkunden und sich irgendwann so gut darin auskennen, wie in unserer Wohnung. Mögen seine Unternehmungen weiterhin erfolgreich sein und sein Wirken reiche Früchte tragen. Ich wünsche es ihm sehr. 

Veröffentlicht in Elternzeit, Weltgeschichte am 04.02.2022 13:15 Uhr.

Der kleine Diktator

Des Menschen Wille ist sein Himmelreich. 


Während im ganzen Land die Advents- und Weihnachtsdekoration schon längst in Kellern und auf Dachböden verstaut ist, beginnt man im Erzgebirge erst dieser Tage mit dem Verräumen der entsprechenden Requisiten. Man hat sich dann aber auch wirklich satt gesehen an Schwibbögen, Fenstersternen, Pyramiden und sonstigen Leuchtutensilien. Und draußen wird es ja auch wieder heller. Aber leider nur optisch. Wenn sich demnächst die Hälfte des medizinischen Personals krank oder arbeitslos meldet, wird es im Erzgebirge wohl noch eine Weile finster bleiben. Man kann nur hoffen, in der nächsten Zeit nicht ins Krankenhaus zu müssen. Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie man mit seiner ganzen Macht das Gegenteil von dem erreichen kann, was eigentlich beabsichtigt war. Passiert mir jeden Tag. Meistens bleibt dann nichts anderes übrig, als möglichst geräuschlos zurück zu rudern. 

Wenn das Kind kein Müsli essen will und ich es nicht zwingen will oder kann, esse ich es am Ende selbst, und das Kind isst Marmeladen-Toast, so, wie es das auf Nachfrage gleich gesagt hat. Aber auch ungefragt erzählt das Kind inzwischen ohne Pause und unterbricht seine Monologe höchstens für ein kurzes Schläfchen. Dadurch kriege ich Schwierigkeiten beim Diktieren. Ich kann nicht mehr dafür garantieren, dass ich der alleinige Autor dieser Zeilen bin. Wenn in einem Text die Worte Notarzt, Briefträger oder Krokodil auftauchen, hat mit einiger Sicherheit mein Sohn das Diktat übernommen. 

Der Briefträger war mitten im Schneesturm unterwegs. Er hatte heute nur einen einzigen Brief auszutragen. Es war ein Einschreiben für den Notarzt. Als er endlich am Haus des Doktors angekommen war, klingelte er Sturm. Er klingelte und klingelte, aber niemand öffnete. Offenbar war der Notarzt gerade mit einem Notfall beschäftigt. Der Briefträger konnte den Brief nicht in den Briefkasten werfen, denn er brauchte dafür eine Unterschrift vom Notarzt, weil es ein Einschreiben war. Er warf eine Benachrichtungskarte ein und machte sich auf den Rückweg. Da trat ihm das Krokodil in den Weg. „Gib mir den Brief“ bat es, zunächst noch recht freundlich. „Ich habe solchen Hunger.“ „Aber Krokodil“ sagte der Briefträger, „ich muss den Brief doch dem Notarzt aushändigen und außerdem wirst du von einem Brief nicht satt.“ „Ach so“ sagte das Krokodil, „na dann…“ Und nach diesen Worten riss es sein Maul weit auf und das letzte, was der Briefträger sah, waren zwei Reihen messerscharfer Zähne und der rote Rachen des Krokodils von innen. 

Veröffentlicht in Elternzeit, Weltgeschichte am 03.02.2022 12:50 Uhr.

Ein schwieriges Alter

Wer immer nur „Nein!“ sagt, provoziert eine Reaktion. Wie wärs‘s mit „Doch!“?


Unser Kind ist gerade in einer schwierigen Entwicklungsphase. Früh hat er - natürlich durch uns, seine Eltern - die Bedeutung und die Machtpotenz des Wörtchens „Nein“ erfasst. Seit geraumer Zeit benutzt er dieses Wort virtuos und lustvoll. Keine Frage, die er nicht mit „Nein“ beantworten kann: „Wollen wir rausgehen?“ „Nein!“ Das Schlimme ist ja, er sagt nicht nur „Nein!“, er meint es auch so und er sagt auch ungefragt „Nein!“ Ein schwieriges Alter. Dabei ist die Fähigkeit nein zu sagen natürlich unentbehrlich und essentiell für ein selbstbestimmtes Leben in einer Gesellschaft mit freiheitlich demokratischer Grundordnung. In Königs Wusterhausen gehen seit einem Jahr jede Woche hunderte Menschen auf die Straße um „Nein!“ zu sagen. Südlich von Königs Wusterhausen, so sagt man von Berlin aus,  beginnt Sachsen, wo es einige Menschen zu geben scheint, die sich mit dem Nein-Sagen nicht länger begnügen wollen. Was ist da los? Ein zweifelhafter Bonner Kinderpsychiater hätte sicher schnell eine Diagnose und die passenden Medikamente zur Hand. Aber was ist es wirklich?

Ich weiß es natürlich nicht. Mir fiel dazu aber ein, dass ich mit 20 Jahren als Bausoldat zur Nationalen Volksarmee der DDR einberufen wurde. Das war ein bisschen Widerstand ohne allzu großes Risiko und fühlte sich nicht sonderlich heldenhaft an. Bausoldaten mussten keinen Eid leisten, sondern ein Gelöbnis ablegen. Ich sprach nicht mit. Das war schon ein bisschen mehr Widerstand, denn es fiel auf und forderte eine Reaktion heraus. Ein Risiko gab es aber immer noch nicht, denn entscheidend war die Teilnahme und nicht das Mitsprechen. Ein paar Monate vor meiner Entlassung im Jahr 1989 verweigerte ich dann jeglichen Dienst, weil ich nicht mehr einsehen konnte, warum wir als Bausoldaten nicht z.B. im Altersheim eingesetzt wurden und stattdessen fegen, Laub harken und Konferenzsäle bohnern mussten, damit die „Säcke“, also die Offiziere, alles schön sauber hatten. Ich bekam Arrest in der Arrestanstalt. Auch dort weigerte ich mich, zu arbeiten. Das nächste Kapitel in dieser Geschichte schien festzustehen: Schwedt, Militärgefängnis.  Ich dachte: „Das ist mein Weg. Ich muss ihn gehen.“  Und es fühlte sich gut und richtig an. Zum Glück hatte ich Freunde unter den anderen Bausoldaten, die den Neubrandenburger Pfarrer Paul-Friedrich Martins um Hilfe baten. Martins kam und wartete zwei Stunden am Kontrolldurchlass und durfte dann tatsächlich unter der Aufsicht eines Stabsoffiziers mit mir sprechen. Seitdem weiß ich, wie es sich anfühlt, Widerstand zu leisten. Ich wusste, dass ich recht hatte und alle anderen waren im Unrecht. Aber warum, das war die zentrale Frage von Pfarrer Martins, warum musst du dich dafür ins Unglück stürzen? Um eine reine Weste zu haben? Um nicht zu denen zu gehören? Ist es das wert? Und was würde es bewirken? Nichts und wieder nichts. Mein Widerstand war sinnlos und mein Opfer wäre umsonst gewesen. 

Der Knoten platzte und ich wurde ein paar Monate später mit allen anderen entlassen. Ich setzte meine Ausbildung fort und arbeitete auch ein Wochenende im Monat im Altersheim. Das war besser als das Militärgefängnis, wo sie es nicht schätzten, wenn das Bäumchen grad zu stehen und Baum zu werden begann. Ich kann nachvollziehen, wie es sich anfühlt, nein zu sagen. Nur wozu? Zu den Schutzmaßnahmen vor Ansteckung, weil sie unbequem und lästig sind? Zum Virus, weil es nicht existiert, wenn man nicht dran glaubt? Zu den Echsenmenschen, weil sie uns unterdrücken und knechten  wollen? Oder doch nur, weil sich Macht einfach besser anfühlt, als Ohnmacht? Ein schwieriges Alter!

Veröffentlicht in Elternzeit, Weltgeschichte am 12.12.2021 12:08 Uhr.

Glück auf

„Glück auf, das heißt: Komm heil zurück. Und: Gott behüte dich.“ (G. Schöne)


Wie kommt es im Erzgebirge eigentlich zu diesen hohen Inzidenzen? Es ist ja nun nicht so, dass in der ehemaligen Freien Republik die Corona-Regeln nicht gelten. Zumindest beim Einkaufen setzen alle schön ihre Masken auf, in den Bussen sieht man es von draußen auch und illegale Glühweinstände sind mir hier bislang noch nicht begegnet. Gibt es geheime Umschlagplätze, wo das Virus unter der Hand weitergegeben wird? Und wie muss man sich das dann vorstellen? Wird dort bei Unterschreitung des Mindestabstandes gehustet,  geniest und geprustet? Umarmt und geküsst? Aus einem einzigen Eimer Glühwein getrunken? Das Ganze findet natürlich in den alten Uranstollen statt. Rätselhaft, das alles. Vielleicht ist es auch einfach nur so, wie mit dem Schnee. Davon gibt es im Erzgebirge ja auch mehr als anderswo, ausgenommen Bayern und Österreich. Er fällt früher vom Himmel und bleibt viel länger liegen. In der vergangenen Woche haben die Erzgebirger angefangen, ihre Fenster advent- und weihnachtlich zu illuminieren und wer jetzt noch nicht fertig ist, ist spät dran. Daher trifft es diese armen Menschen hier besonders hart, dass die Weihnachtsmärkte zum zweiten Mal in Folge ausfallen müssen. Ja, vielleicht sind Untertage schon seit vergangenem Jahr Permanentweihnachtsmärkte aufgebaut und dorthinein zwängen und drängen sie sich und stecken sich eben alle gegenseitig an. 

Mit solcherlei Gedanken verbringe ich die langen Winterabende am Bett meines Erstgeborenen, während seine Mutter draußen in der Küche Töpfe und Pfannen mit Gesottenem und Gebratenem befüllt, damit wir am Tage nicht etwa Hunger leiden müssen. Natürlich stimmt auch das wieder nicht, denn ich sitze schon lange nicht mehr am Bett, sondern liege drin, da mein Kind nicht mehr ohne engen Körperkontakt einschlafen mag. Spät am Abend kann ich mich dann fortschleichen, werde aber meistens aus dem elterlichen Lager abberufen, sobald der erste Schlummer auf uns niedergesunken ist. Ich frage mich inzwischen, ob ich vielleicht mehr Schlaf abbekomme, wenn ich nächtens in zwei Betten unterwegs bin. 

Es kann nun durchaus sein, dass das alles nun immer so weitergeht: Sowohl das Steigen der Inzidenzen als auch die Anhänglichkeit meines Sohnes. Man soll damit eben gar nicht erst anfangen. In beiden Fällen gibt es aber glücklicherweise eine Obergrenze. Das Kind wird spätestens mit der Pubertät aufhören, mit seinem Vater zu kuscheln und die Inzidenz kann aus mathematischen Gründen die Zahl 100.000 nicht übersteigen. Bis dahin behüte uns Gott. Glück auf!

Veröffentlicht in Elternzeit, Weltgeschichte  am 27.11.2021 5:00 Uhr.

Verrückte Zeit

Woher kommt eigentlich die andauernde schlechte Laune? Und kann man etwas dagegen tun? Und ob!


Überall schreiben sie jetzt, dass Mark Zuckerberg ein (schlecht gemachter) Androide wäre. Das ist natürlich Quatsch, weil er ja schon ein Echsenmensch ist. Das ist doch allgemein bekannt. Mit seiner als social network getarnten Gehirnwaschmaschine kommt er seinem Ziel, der Übernahme der Weltherrschaft, immer näher. Natürlich ist dieses Ziel verwerflich, weil es die Unterdrückung und Ausbeutung aller friedliebenden Menschen beinhaltet, aber wenn sich die Menschen ihm frei- und bereitwillig zum Fraß vorwerfen, kann man einem Echsenmenschen keinen Vorwurf daraus machen, wenn er hinlangt. Sich angesichts solcher Hingabe angewidert abzuwenden, wäre wider seine Natur. Ich selbst versuche seit vielen Jahren, dieses sogenannte Netzwerk an seiner Schwachstelle zu packen und die ganze Sache durch kluge und scharfsinnige Posts auffliegen zu lassen. Aber natürlich werde ich ausgebremst. Darum habe ich so wenige Follower. Ich soll praktisch ausgehungert werden. Das Wasser wird mir buchstäblich abgegraben. In der Firmenzentrale hoffen sie, dass ich dadurch nach und nach das Interesse verliere und schließlich aufgebe. 

Und ja, was soll ich sagen? Inzwischen ist es mir wirklich egal, wer nun die Weltherrschaft übernimmt. Erst hieß es ja, Angela Merkel (auch Echsenmensch) plane das, aber da bin ich mir nicht mehr so sicher. Vielleicht hat sie es ja auch nicht hingekriegt und hat jetzt einfach keine Lust mehr. Soll es doch der Mark machen. Auf seine Weise. Mark Zuckerberg ist jetzt übrigens ungefähr genauso alt, wie Merkel damals, als sie in die große Politik einstieg. Sollen sie machen. Gegen die Weltherrschaft kann man sich nicht wehren, es sei denn, man will sie selbst übernehmen. Das will ich aber keinesfalls. Vom Herrschen kriegt man erstens immer schlechte Laune und zweitens lässt es sich nicht anständig gendern.  

Wir leben zweifellos in einer verrückten Zeit. Aber welche Zeit war denn bitteschön nicht verrückt? Es war jene Zeit, als wir kleine Kinder waren. Da waren die Dinge einfach so, wie sie waren und wir staunten und nahmen alles hin, ohne zu fragen. Hätte meine Mutter beim Einkaufen oder Busfahren eine Maske aufgesetzt - ich hätte irgendwann auch eine gewollt, sowie ich „Kein Rundgang ohne Korb“ verinnerlicht hatte, lange bevor ich lesen konnte. Aber kleine Kinder bleiben wir nicht und dann fängt es eben an, verrückt zu werden. Gegen die Weltherrschaft kann man sich nicht wehren, aber man kann sich entscheiden, zu lieben. Denn wer liebt, der kann auch noch in einer verrückten Welt leben, ohne andauernd schlechte Laune zu haben. Und die Liebe, so heißt es, hört niemals auf. ❤️❤️❤️

Veröffentlicht in Elternzeit, Weltgeschichte am 30.10.2021 4:00 Uhr.

Wer dahinter steckt

Kann man sich mir nichts dir nichts aus der Verantwortung für sein eigenes Leben stehlen? Ja. Es ist ganz einfach.


Ich habe nie bezweifelt, dass das Tragen eines Mundschutzes für den Infektionsschutz sinnvoll ist. Allerdings bin ich auch davon überzeugt, dass er seine Wirksamkeit eher auf psychologischem Gebiet entfaltet: Man geht nicht unbedingt dorthin, wo man ihn tragen muss, wenn es sich vermeiden lässt. Außerdem ist er beim Sprechen lästig, also schweigt man lieber. Wenn diese Annahmen auch größtenteils zutreffen mögen, so haben sie doch in Sachsen keinerlei Gültigkeit. Der Sachse lässt sich weder die Geselligkeit noch den Mund verbieten, Mundschutz hin oder her. Darum waren die Gesichtsteilabdeckungen in diesem Teil der Welt so gut wie wirkungslos und die weitgehende Aufhebung der Maskenpflicht in Sachsen ist nur konsequent. Ob nun auch einige sehr eigenwillige Vorstellungen über die Wirklichkeit in Sachsen entstanden oder aus einem Labor in China entwichen sind, lässt sich dagegen nicht mit letzter Gewissheit klären.

Da wäre zum Beispiel die Sache mit dem Mond. Wir glauben ja seit Menschengedenken daran, dass der Mond die Erde seit Jahrmilliarden umkreist und maßgeblich an der Entstehung des Lebens auf der Erde beteiligt war. Das soll nun auf einmal alles nicht mehr stimmen. Der Mond sei vielmehr von Bill Gates erst kürzlich im Weltraum Stück für Stück zusammengebaut worden. Er steuert damit unsere Gedanken, was erklärt, warum wir glauben, der Mond wäre schon immer dagewesen. Außerdem kann er damit unter anderem Flutkatastrophen auslösen. So. Ach, und Jeff Bezos hängt da natürlich auch mit drin. Er wird sich bald auf den Mond schießen lassen und dem Bill dort ein bisschen zur Hand gehen. Tja. So sieht's nämlich aus. 

Natürlich glaube ich das nicht, obwohl ich die Geschichte gerade selbst erfunden habe. Aber es würde alles so schön einfach machen. Man hätte einen Schuldigen, gegen den man ja machtlos wäre und könnte selbst einfach so weiterleben, wie bisher. Der Mond stünde als Beweis am Himmel. Und wenn er eines Tages von einer Minute auf die andere verschwände oder sonst etwas Unerhörtes passierte, brauchte man sich nicht zu wundern. Man wüsste ja, wer dahinter steckt.

Veröffentlicht in Weltgeschichte  am 24.07.2021 4:00 Uhr.

Ich habe einen Plan

Die große Weltgeschichte folgt einem einfachen Handlungsschema. Wenn man das einmal erkannt hat, wird das Leben auch nicht leichter. Aber lustiger. 


Wir wollen hier keineswegs Wurzeln schlagen. Rückblickend werden wir vielleicht einmal wissen, warum wir eine Zeitlang im Erzgebirge gelebt haben. Heute „ist es eben so“, wie man so schön sagt. Aber eines Tages wird sich eine Tür öffnen und wenn wir clever genug sind, gehen wir hindurch, ehe sie wieder ins Schloss fällt. Wohin es uns verschlägt? Was auf der anderen Seite der Tür ist? Das kann man nicht wissen. Vielleicht Norditalien? Ich beherrsche immerhin einige italienische Sätze - aber ich will nicht schon wieder damit angeben. Die Kommunikation kann nicht schwieriger sein, als im Erzgebirge. Aber Kommunikation ist ja ohnehin schwierig. Der Vorteil im Erzgebirge, in Norditalien oder meinetwegen auch in Dänemark ist, dass man sich eventuell bewusst macht, dass man nichts verstanden hat. So haben die Dänen zum Beispiel jahrelang nur „Jernbanestation“* verstanden, wenn sie die deutschen Kommunikationskabel angezapft haben. Die NSA musste helfen, damit ein paar brauchbare Informationen herauskamen. Viel kann es nicht gewesen sein. 

In diesem Zusammenhang muss ich erwähnen, dass mein Streaming-Anbieter eine schöne dänische Gaunerkomödien-Reihe im Programm hat. Zwischen 1968 und 1998 sind 14 Olsenbande-Filme entstanden. Das bedeutet für volle zwei Wochen jeden Abend Olsenbande. Ich habe gedacht, ich kenne sie alle. Offenbar haben DDR-Fernsehen und -Kino aber immer dieselben drei Folgen gezeigt.  Ich kannte die meisten doch noch nicht und einer ist besser, als der andere. Egon tut mir jetzt leid. Kjeld hat seine Familie und Benny hat seine Affären. Egon hat nur Benny und Kjeld. Wo wohnt Egon eigentlich, wenn er nicht im Gefängnis ist? Im ersten Film hat er offenbar noch ein Zimmer in einem Bordell. Dann ist erstmal keine Rede mehr davon, wo sein Bett steht. 

Leider habe ich nun beim täglichen Olsenbande gucken den Überblick verloren, was gerade wirklich in der Welt los ist. Das macht aber nichts, denn die große Weltgeschichte folgt demselben Handlungsschema wie die Olsenbande-Geschichten: Einer hat immer einen genialen und todsicheren Plan. Wegen der unabänderlichen Blödigkeit seiner zwar herzensguten aber immer irgendwie tumben Komplizen geht aber zwangsläufig jedes Mal etwas schief. Dazu kommen die Machenschaften „multinationaler Konsortien“, die den genialen Planer aus dem Weg räumen wollen. Das machen diese feinen Herren natürlich nicht selbst, sondern rufen das „Dumme Schwein“, das dann die Drecksarbeit erledigen soll. Das „Dumme Schwein“ kriegt es aber auch nicht hin und so geht alles wieder von vorne los: Mit einem genialen Plan. Todsicher. 

*dänisch: Bahnhof

Veröffentlicht in Weltgeschichte am 05.06.2021 4:00 Uhr.

Made with Goldfish

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