Mitten im großen Gesang

Der Grund für das Ende der Geschichte schien in ihr selbst zu liegen: Die Kette der Ereignisse in ihr führte zwangsläufig wieder aus ihr heraus. 


Mit freundlicher Genehmigung von Ulrike Pienkny, Lobetal

Angela Merkel war noch lange nicht Bundeskanzlerin, als ich aus Neubrandenburg zurück nach Berlin zog, um von dort aus meine lange Geschichte mit dem kleinen Dorf Lobetal in Brandenburg zu beginnen. Dass es eine lange Geschichte werden würde, wusste ich damals noch nicht. Sie endete nach einundzwanzig Jahren im Sommer 2019 und ich dachte, die Zeit dafür wäre eben gekommen und ich könnte einfach so fortgehen und alles hinter mir lassen. 
Bemerkenswert finde ich, dass der Grund für das Ende der Geschichte in ihr selbst zu liegen schien. Die Kette der Ereignisse in ihr führte zwangsläufig wieder aus ihr heraus. Ich begann in der Jugendarbeit mit dem festen Vorsatz, so schnell wie möglich in die Arbeit mit behinderten Menschen zu wechseln. Der Schlüssel zu diesem Wechsel war die Musiktherapie, die wiederum eine Qualifizierung erforderte. Ich wählte die berufsbegleitende Ausbildung in Bad Klosterlausnitz und begann parallel dazu mit der Arbeit in Lobetal. 

Ich erwarb mir eine gewisse Expertise in der Arbeit mit diesen besonderen Menschen, die keine Patienten und nicht zur Behandlung stationär untergebracht waren, deren Seelen aber trotzdem und gerade deswegen besonderer Zuwendung bedurften. Zehn Jahre nach meinem Abschluss begann dann eine junge Frau ihre Ausbildung an derselben Akademie, hörte von meiner Arbeit und begann, sich dafür zu interessieren. Sie kam zu mir und sie begleitete mich auf meinen Wegen und bei meinen Begegnungen, die ich so viele Jahre nur allein erlebt hatte. Als sie dann fortging, um nun selbst mit ihrer Arbeit anzufangen, folgte ich ihr, denn wir hatten uns ineinander verliebt und wollten zusammen bleiben.

Lobetal ist ein guter und wichtiger Ort, den ich meinem Sohn gerne zeigen möchte. Die Jahresfeste im Juni hatte ich bestimmt zwanzig mal miterlebt und mitgestaltet. Ich habe mich oft gefragt, wie ich wohl durch die schwierige Zeit der Pandemie in Lobetal gegangen wäre. Musiktherapie ohne Kontakt. Kirche ohne Gemeinde. Die großen Feste: Ausgefallen. Auch am vergangenen Sonntag wäre wieder Jahresfest gewesen. Es konnte auch noch nicht stattfinden, aber es gab einen Festgottesdienst in der Waldkirche. Und da waren sie endlich wieder, diese besonderen Menschen, die Lobetaler. Ich konnte wieder ihre Stimmen hören, wenn sie sangen und ich sah auch ihre Gesichter: Einem ist ein stattlicher Bart gewachsen und ein anderer hat sich überhaupt nicht verändert. Sogar der Bischof war gekommen und predigte ausgerechnet darüber, wie man sich über die Verlorenen freuen würde, wenn sie wiedergefunden werden. Auf YouTube sah es aus, wie ein wunderbares Fest. Ich wäre so gerne dabei gewesen: Mit meinem kleinen Jungen mitten im großen Gesang. 

Veröffentlicht in Lobetal am 26.06.2021 4:00 Uhr.

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