Welt ohne mich

Der Autor stellt fest, dass sich die Welt ohne sein Zutun zu drehen scheint und kann sich auf absehbare Zeit auch nicht darum kümmern. Er hat besseres zu tun. 

Ich komme ja kaum noch zum Schreiben. Meine Pflichten als Vater lassen mir nur noch wenig Raum für eigene Interessen. Allein wenn das Kind schläft, bleiben mir ein paar Minuten, dann geht es wieder weiter. Aber selbst diese kurze Zeit verbringe ich in der Küche, denn wenn meine Frau von der Arbeit kommt, muss das Essen auf dem Tisch stehen. So ist das eben. Im Fernsehen konnte man vor kurzem einem Eisvogelpärchen bei der Aufzucht ihrer Jungen zusehen. Ohne Pause musste Fisch herangeschafft werden, denn der Nachwuchs hatte ständig Hunger. Der Eisvogel beschwert sich nicht. Im Gegenteil, er wäre vielleicht nicht glücklich, müsste er seinen Fisch alleine essen.

Es geht ja auch nicht darum, dass ich mich um mich selbst kümmere. Es ist nur so, dass sich die Welt seit zweieinhalb Jahren so gut wie ohne mein Zutun dreht. Was dabei herauskommt, sieht man ja: Ein aus Batman manifestierter US-Präsident war dagegen das kleinere Übel. Jetzt haben wir Virus und- was noch viel schlimmer ist- Pandemie-Frust. Das ist verheerend, denn so ein Virus verbreitet sich einfach immer weiter, wenn es dazu Gelegenheit hat. Es kann nicht anders. Man kann es nicht einsperren, nicht abschieben und nicht des Amtes entheben. Es bleibt einfach da und geht nicht mehr weg. Uns wird nichts anderes übrig bleiben, als mit ihm zu leben. Je früher wir das einsehen, um so besser. Aber wie gesagt, lange kann ich mich mit solchen Grübeleien nicht aufhalten. Das Kind ist wieder wach und gekocht habe ich auch nicht. Meine Frau wird mich anlächeln und sich am Abend wieder einmal in die Küche stellen, nicht ohne das vom Vater aufgeputschte Kind wieder zur Ruhe und ins Bett gebracht zu haben. 

Es ist schon richtig so, dass sich zwei Elternteile um ein Kind kümmern. Wenn einer alles machen soll, geht es schief. Zum Beispiel beim Kaffee kochen. Wenn ich den Kaffee mache, ist er neuerdings ungenießbar. Einmal lag es aber an der Milch. Ich dachte, sie wäre schlecht geworden, was ja schließlich mal passieren kann. Dann hatte ich aber Apfelsaft in den Kaffee geschüttet, was überhaupt nicht gut schmeckt. Ob ich denn auch gerne mit dem Kind spielen würde, hat meine Frau noch gefragt. Wenn sie uns zusammen sähe, würde ich ihn immer herumtragen und er hätte einen Schnuller im Mund. Ja, das ist meine Deeskalationsstrategie. Ich bin im Deeskalieren geschult! Warum es bei unserem Spiel immer gleich am Anfang zur Eskalation kommt, weiß ich allerdings auch nicht.
Aber das kriege ich noch raus.

Veröffentlicht in Elternzeit am 06.03.2021 6:00 Uhr.

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