Der Sachse
Meine Frau, die ich sehr liebe, hat Zwiebelkuchen gebacken. Unser Kind verkostete die Speise, sagte „Nein“ und aß nur den Boden. Am Abend verspeiste es dann ein ganzes Stück oder mehr mit samt der Schmand-Ei-Zwiebel-Decke. Meine Frau zwinkerte mir zu und formulierte einen Merksatz, der ungefähr beinhaltete, „Nein“ heiße zwar „Nein“, aber das müsse noch gar nichts heißen. Ich nickte und erzählte zur Illustration die Geschichte, wie ich in Bamberg einmal zum Rauchbier einkehrte. Die ersten drei halben Liter würgte ich mit zugehaltener Nase herunter aber danach lief es! Oder Federweißer! Er schmeckt eigentlich gar nicht, aber zum Zwiebelkuchen ist er ein Muss. Ich konnte tatsächlich eine Flasche auftreiben. Auf dem Etikett stand „FLASCHE NUR STEHEND TRANSPORTIEREN“. Langsam wurde mir die Gängelei nun aber doch zu viel: Jetzt wird mir also auch noch vorgeschrieben, wie ich meine Flaschen nach Hause zu tragen habe! Nicht mit mir! Ich setzte (!!!) mich demonstrativ ins Auto und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Freie Fahrt für freie Bürger! Schließlich sind wir hier in Sachsen!
Leider ist Sachsen jetzt aber auch blau. Blau ist eigentlich eine schöne Farbe. Aber das Blau, das jetzt auf den Wahlergebnis-Karten Sachsen und Thüringen einfärbt, finde ich eher beängstigend. Andererseits muss man sehen, dass es genau die Stimmen sind, die der CDU und der Linken verloren gegangen sind. Das finde ich wiederum gut. Mehr konnte man eigentlich auch nicht erwarten, schon gar nicht, dass sie hier vielleicht noch grün wählen. Ehe sie gar nicht wählen, sollen sie also meinetwegen blau wählen. Genützt hat es den Blauen nichts und den Schaden haben auch die Richtigen. Am Anfang war ich entsetzt, aber jetzt bin ich doch ganz zufrieden: Das haben wir gut gemacht! Meine Frau jedenfalls, die ich sehr liebe, hat gleich gesagt: Es hilft nichts, den Sand in den Kopf zu stecken. Wo sie recht hat, hat sie recht. Meine Frau hat nämlich eigentlich immer recht. „Die Flasche war offen!“ sagte ich, als ich nur noch die Hälfte vom Federweißer mit nach Hause brachte, weil die andere Hälfe im Auto ausgelaufen war. „Federweißer ist immer offen“ sagte sie sanft, „er explodiert sonst.“
Wenn er nicht umkippt, passiert also nichts Schlimmes, selbst wenn er durchgeschüttelt wird. Als Solist ist er nicht gerade groß, aber im kleinen Ensemble kann er ein paar Stärken ausspielen. Und ich dachte: So ist er eben, der Sachse. Hauptsache, er explodiert nicht.
Veröffentlicht in Elternzeit am 02.10.2021 4:00 Uhr.