Baum_Sonne

Nachrichten vom liedersaenger

Ein schönes Spiel

Die Pulpe ist das Los allen Seins. 

Das Besondere Jahr ist um. Und ja, natürlich habe ich es mir ganz anders vorgestellt. Selten stellt man sich ja etwas so vor, wie es dann schließlich stattfindet. Ich dachte zum Beispiel, wir würden viel mehr unterwegs sein. Mit der Erzgebirgsbahn fahren und mit der Rückentrage wandern. Das ist alles nicht passiert. Stattdessen haben wir uns kennengelernt und es ist eine Nähe entstanden, wie ich sie mir zu einem kleinen Kind nicht habe vorstellen können. Grund zur Dankbarkeit. Während das Kind auf mir herumklettert, frage ich mich ob es möglich ist, einen Tag lang nur nach seinem Willen zu leben. Oder wenigstens einen Vormittag. Will er irgendwann von sich aus den Schlafanzug ausziehen? „Nein“. Ich glaube das auch nicht. Das Frühstück soll jedenfalls schon mal im Wohnzimmer serviert werden. Nun, das ist ein Leichtes. Mit ein bisschen Glück kann ich es auch noch schaffen, die Kartoffeln zu schälen. 

Nach dem Frühstück wird das Kind in seiner Aktivität tatsächlich ein wenig ziellos und beginnt, mir einfach nachzulaufen. Damit kann man arbeiten! Ich schäle Kartoffeln, er wirft sie in den Topf und lässt sich danach tatsächlich widerstandslos anziehen. Anschließend sucht er sich eine CD mit Wiegenliedern aus aller Welt aus. Dann spielen wir Schlafen. Aber nur kurz. Dann spielen wir Turnen. Konfliktfreies Zusammenleben ist also möglich - aber sinnlos. Es wäre ein bisschen wie Dialektik ohne Antithese. Man drehte sich im Kreise und käme nicht voran. Also endet der Frieden bei der Zubereitung des Mittagessens, als ich nicht mehr bereit bin, der Verteilung des Spinats über die Kleidung hinaus auf Fußboden, Wänden und Decke tatenlos zuzusehen. Ohne mein Eingreifen würde auch hier die Entropie dem zweiten Hauptsatz folgend gnadenlos zunehmen: Erst würden Rührei und Spinat zu einem untrennbaren Brei verschmelzen und die Kartoffeln würden diesem Schicksal über kurz oder lang auch nicht entgehen. 

Ein Kind mag keinen Sinn darin erkennen, diesen natürlichen Lauf der Dinge hinauszuzögern und will darum erst mal alles zu Pulpe verrühren. Nur mühsam lernt es, zu ordnen, zu sortieren und die Ordnung unter Aufbringung von Energie aufrecht zu erhalten. Aber letztlich ist die Pulpe das Los allen Seins und all unser Aufbegehren dagegen ist Haschen nach Wind. Aber das ist auch schon wieder ein schönes Spiel. 

Veröffentlicht in Elternzeit am 01.03.2022 13:15 Uhr.

Made with Goldfish

copyright: liedersaenger

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