Notwendig aber sehr schmerzhaft

Über den Alltag von Kleinkindern wissen wir aus ihrer Perspektive fast gar nichts. Weil sie einfach keine Zeit zum Schreiben haben. 


Wir wissen aus zuverlässiger Quelle, dass die Schöpfung nicht an einem Montag in Angriff genommen wurde. Montage sind einfach komplett ungeeignet, irgendetwas in Angriff zu nehmen. Das steht auch in dem Merkblatt, das sie uns im Kindergarten mitgegeben haben. Mit ein bisschen Lebenserfahrung weiß man aber, dass auch alle übrigen Tage nicht besser geeignet sind. Wenn überhaupt ein Tag in Frage kommt, dann vielleicht der Dienstag. Man hat schon ein bisschen Routine vom Montag und noch genug Schwung, weil ja einerseits noch nichts geschafft wurde und andererseits noch kein Ende in Sicht ist. Das kommt aber auf die Einteilung an. Ich hatte mal einen Kollegen, der mir am Dienstag immer schon ein schönes Wochenende gewünscht hat, weil ich am Mittwoch nicht vor Ort war und er am Donnerstag schon mittags Feierabend hatte. Na und Freitag ist Freitag. Folgerichtig war am gestrigen Sonntag Abend Zoom-Meeting. Inzwischen funktioniert das sogar, was vor einem Jahr noch anders war. Bei der Arbeit sollten Meetings wegen des Infektionsschutzes online stattfinden. Man sah sich die Standbilder der Kolleginnen und Kollegen an und hoffte, selbst in einem günstigen Moment eingefroren worden zu sein. Dann traf man sich irgendwann wieder im Flur oder in der Teeküche. 

Trotzdem beginnt heute die zweite Kindergartenwoche. Ich kann mich zwar noch bruchstückhaft an meinen Kindergartenalltag erinnern, weiß aber weder etwas über den Weg zum Kindergarten oder zurück, noch wer mich dabei begleitet hat. Dafür weiß ich noch, dass ich mit meiner Mutter verabredet hatte, alleine nach Hause zu kommen und auch einfach losging. Es gab ein Riesentheater am folgenden Tag. 

Mein Kind fällt an diesem vierten Tag hinter Tag eins zurück. Erst draußen im Hof verlässt er mein Schwerefeld, um bei der Fahrzeugausgabe nicht etwa zu kurz zu kommen. Ich werde diesmal nicht hinaus sondern hinein geschickt. Inzwischen sind fast alle Kinder draußen und ich rede mir ein, dass es dabei nun mal sehr laut zugeht. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt dann meine Gruppe wieder herein, mein Kind verweint und erschöpft. Er scheint sich dessen bewusst zu sein, dass er gerade einen großen Schritt macht, der zwar notwendig, aber sehr schmerzhaft ist. Aber was weiß ich schon. Offenbar sind solche Schritte eben Kinder-Alltag. Und morgen geht’s weiter. 

Veröffentlicht in Elternzeit, Kindergarten am 07.03.2022 13:05 Uhr.

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