Baum_Sonne

Nachrichten vom liedersaenger

Ärger im Kindergarten

Engpässe, Mangel und Versorgungsschwierigkeiten sind auch ein Stück Erinnerung an die Kindheit und daran, dass ständige Verfügbarkeit von allen Dingen keine Selbstverständlichkeit ist. Und auch nicht notwendig. 


Mein täglicher Weg in den Kindergarten führt uns am Schwarzenberger Finanzamt vorbei, das sich anmutig zwischen eine kurvige Hauptstraße und das mäandernde Schwarzwasser schmiegt. Dieser Tage drängen sich dort am frühen Vormittag ungewöhnlich viele Mitarbeiter um einen Schreibtisch und betrachten kopfschüttelnd Dokumente auf den nebeneinander gruppierten Monitoren. Zweifellos handelt es sich bei den Dokumenten um unsere Steuererklärung, denn wir wollen fast alles zurückgezahlt haben. Wir haben nichts zu verschenken und ich bringe seit einem Jahr kein Geld mehr nach Hause. Meine liebe Frau muss sich täglich verdingen, damit ich mir das Nötigste im Internet bestellen kann. Jetzt wird es noch einmal teurer, denn einerseits muss der Kindergartenplatz bezahlt werden und zum anderen schlagen meine nun täglichen Ausflüge ins Kaufland gehörig ins Kontor. Beides hängt zweifellos zusammen und da die Kita nicht dafür aufkommt, muss eben das Finanzamt ran. Sollen sie ihre Köpfe schütteln, soviel sie wollen, Hauptsache, sie zahlen. 

Im Kaufland gibt es auch kein Sonnenblumenöl mehr. Anfang der Woche hatte Jan Böhmermann getwittert, dass er seine Pfannkuchen in Dieselöl gebacken hätte, weil das Sonnenblumenöl so teuer wäre. Ich habe das gar nicht verstanden, bis ich das Sonnenblumenöl auf dem Einkaufszettel hatte. Da gab es schon keins mehr. Ich dachte erst, die Diesel-Fahrer hätten es sich in den Tank gekippt, zumindest mit Rapsöl funktioniert das. Wie auch immer, es gibt Weniges, auf das ich fröhlicher verzichten kann, als auf Sonnenblumenöl. 

Im Kindergarten verbreiten sie weiter Zuversicht. Ab nächste Woche solle das Kind an einer der Mahlzeiten teilnehmen. Das wird auch Zeit, denn die Tischmanieren lassen im Privaten jetzt doch ein wenig zu wünschen übrig, besonders, wenn er sich satt gegessen hat. Aber sie sollen es auch nicht übertreiben. Ich kann mich erinnern, dass ich im Kindergarten großen Ärger bekommen habe, weil ich mir eine als Sonnenblume abgeschälte Apfelsinenschale auf den Kopf gesetzt habe. Das, so wurde meinen Eltern mitgeteilt, sei unhygienisch, weil ich mich damit verteidigt hatte, dass wir uns zu Hause zu jeder Mahlzeit Apfelsinenschalen-Blumen-Hüte aufsetzten. Diese Erinnerung ist auch deshalb interessant, weil sie darauf schließen lässt, dass es in der DDR gar keine Apfelsinenengpässe gegeben hat. Bananen waren vielleicht knapp. Und Sonnenblumenöl hatten wir, glaube ich, auch immer genug. 

Veröffentlicht in Elternzeit, Kindergarten, Weltgeschichte am 17.03.2022 13:00 Uhr.

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copyright: liedersaenger

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