Zeichen der Hoffnung

»Auge um Auge, Zahn um Zahn.« Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern: wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar.


Die Geschichte von Honecker und dem Pastor, die ich gerade in der ZDF-Mediathek gesehen habe, spielte lange bevor meine Geschichte mit Lobetal begann. Immerhin hatte ich im Rahmen der Diakonenausbildung in der Berliner Stephanus-Stiftung schon mal von Lobetal gehört und wir waren auch einmal dort gewesen. Aber ich bin kein Zeitzeuge und kann nicht einschätzen, wie nahe der Film an den Ereignissen dieser Tage ist. Was ich aber für durchaus realistisch halte, sind die wütenden Proteste und der Hass gegen die Honeckers und dass Lobetal eine Zeitlang der einzige Ort war, wo sie unterkommen konnten. Ich weiß nicht mehr, wie ich damals auf diese Geschichte reagiert habe. Heute zeigt sie mir jedenfalls den unseligen Kreislauf von Unrecht, Hass und Gewalt, aber vor allem, wie er überwunden werden kann. Die meisten Menschen, denen Unrecht und Gewalt geschieht, werden offenbar zu Wölfen, die wiederum nicht anders können, als selbst wieder Unrecht und Gewalt zu verüben. Als hätte es irgendeinen Sinn, die tragisch-komischen, ja fast schon lächerlichen Figuren zu hassen, die die Honeckers in diesen Tagen darstellten. Als hätten sie irgendetwas aus- und anrichten können, wenn es nicht die Hundertschaften von Bürgerinnen und Bürgern gegeben hätte, die all das Unrecht geplant, verwaltet, ermöglicht und begangen haben. 

So war es mit Hitler und so ist es jetzt auch mit Putin. Die unausrottbarsten unserer Verschwörungserzählungen handeln von Ungeheuern, die uns Gewalt antun und die uns unterdrücken und die dann ganz allein für all die Greuel verantwortlich sind, die unter ihrer Schreckensherrschaft begangen wurden. Marina Weisband schreibt auf Twitter ganz richtig, dass es nicht Putin ist, der Städte bombardiert und der auf Ukrainer schießt. Er verprügelt keine Demonstranten und er sperrt sie auch nicht weg. Er könnte das gar nicht. Nur wir selbst können uns einander all diese Ungeheuerlichkeiten antun und wenn wir das alle nicht mehr tun wollen, wird es auch nie wieder passieren. 

Pastor Uwe Holmer wäre aus der Reihe der Lobetaler Anstaltsleiter vielleicht nicht hervorgetreten und die Verleihung der Verdienstmedaille der DDR ließ ihn nicht gerade widerständing erscheinen. Aber mit seinem Beispiel der Barmherzigkeit und seinem mutigen Widerstand gegen den Mainstream von Rache und Vergeltung ist er zu einem lebendigen Zeichen der Hoffnung geworden: Hoffnung, dass Menschen doch an ihrer Seele heil bleiben können, auch wenn sie unter Gewalt und Unterdrückung leiden müssen. Hoffnung, dass die Logik der Vergeltung, das Auge um Auge und Zahn um Zahn doch überwunden werden kann. 

Veröffentlicht in Weltgeschichte am 18.03.2022 13:00 Uhr.

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