Der letzte Tag

Ob Fastenzeit oder Quarantäne - man muss schon irgendwie versuchen, sich das Dasein erträglich zu gestalten. 


Die Frage, wozu das gut sein soll, war schnell geklärt: Durch die Quarantäne entgehen wir dem Jetlag durch die Zeitumstellung. Das muss ja nun wirklich nicht auch noch sein. Schließlich hätte das Kind nicht früher geschlafen, hätte aber eine Stunde früher aufstehen müssen. So können wir alle gemeinsam ganz gemächlich in die neue Zeit hinübergleiten. Es ist wie ein Urlaub in Übersee. Und was für ein Urlaub! Wir dürfen ja nicht hinaus: Keine Einkäufe, keine Besuche, gar nichts dürfen wir draußen machen. Zu unserem großen Glück verfügt das Anwesen, auf dem wir uns eingemietet haben über Vermieter, die Einkäufe mitzubringen würden, über genügend Spielgerät und Auslauf für das Kind und über einen lauschigen privaten Biergarten. 

Da meine liebe Frau bei diesen Temperaturen nicht so schnell trinken kann, dass das Bier nicht warm wird, übernimmt sie die Kinderbetreuung. Das macht ihr auch viel Freude. Ich trinke inzwischen das Hefeweizen. Man sollte es vielleicht nicht für möglich halten, aber die hier ansässige Brauerei Fiedler braut doch ein annehmbares  Weißbier. Es ist nur offenbar schaumgebremst. Man darf es also nicht ins schräg gehaltene Glas einlaufen lassen, sondern gießt es ohne Scheu von oben herunter. Dann schnell geschluckt, ehe die Blume versackt. Diese Übung ein- bis dreimal wiederholen und dann ist es auch schon wieder Zeit fürs Abendbrot. In diesem Zusammenhang fällt mir ein, dass die Klöster sich angesichts der bis zu 130 Fasttage im Jahr Fischteiche angelegt haben. Fasten bedeutete: Fisch speisen. Das Bier war als Grundnahrungsmittel sowieso immer dabei. 

Leider vermelden zurzeit alle Wetter-Apps für heute den letzten Tag mit diesen optimalen meteorologischen Bedingungen. Ab morgen wird’s im Garten ungemütlich. Dann wäre eigentlich  die Zeit gekommen, endlich mal unsere Netflix-Liste abzuarbeiten, aber das Kind soll noch nicht netflixen. Er weiß noch nichts vom „Fernsehen“ (wenn es das überhaupt noch gibt) und das soll noch eine Weile so bleiben. Wenn er doch mal zufällig bei der Oma vorm eingeschalteten Fernseher steht, sticht er mit dem Finger in den Bildschirm und versucht, das Bild hin und her zu schieben. Den Vormittag, wenn es im Garten noch zu kalt ist, verbringt er aktuell mit staubsaugen. Das kann er ab morgen dann einen ganzen Tag lang machen. Und dann schauen wir mal. 

Veröffentlicht in Elternzeit, Quarantäne am 28.03.2022 8:35 Uhr.

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